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Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Titel: Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Captain Richard Phillips , Stephan Talty
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würde, aber irgendwann würde auch sie es überwinden.
    Schließlich dachte ich an Dan. Das war der Augenblick, in dem ich fast die Fassung verlor. Dan ist dem Jungen sehr ähnlich, der ich in seinem Alter war, raue Schale, aber im Innern ein Suchender. Er verbirgt den Schmerz, er ist nicht so offen wie seine Mutter und seine Schwester. Und ich hörte ihn sagen: »Ach, ich hab gar keinen Vater. Der ist nie zu Hause. Immer irgendwo auf dem Meer. Kann mir nicht vorstellen, dass er mich mag.« Das versetzte mir einen schmerzhaften Stich. Mir ist klar, dass er damit seine Enttäuschung ausdrückte, dass ich nie da war. Um Dan machte ich mir die meisten Sorgen.
    »Lieber Gott«, betete ich, »bitte gib ihm die Kraft, das durchzustehen.« Denn bei ihm war ich nicht sicher, ob er die Kraft hatte. Ich wollte nicht, dass dieser Gedanke – »Mein Vater mag mich nicht« – sein letzter Gedanke war, bevor ich starb. Auf keinen Fall sollte er später seinen eigenen Kindern weitergeben, dass sich sein Vater nie um ihn gekümmert hätte. Das würde seine Beziehung zu seinen eigenen Kindern vergiften.
    Ich senkte den Kopf; die Piraten sollten mein Gesicht nicht sehen. Ein paar praktische Dinge fielen mir ein. »Ange, verkauf das Haus nicht. Jedenfalls nicht, bevor die Kids vom College abgehen.« Wirklich erstaunlich, was einem als Vater und Ehemann durch den Kopf geht. Die vielen noch nicht abgeschlossenen Reparaturen am Haus. Ob meine Lebensversicherung ausreichen würde, um die Kids durch die Schule zu bringen. Eben ganz grundlegende Dinge.
    Und ich sah auch die Leute vor mir, die ich im Himmel wiedersehen würde. Meinen Vater, meinen Onkel. Tina, Andreas Stiefmutter, die erst vor Kurzem an Krebs gestorben war. Ich war nicht dazu gekommen, sie noch zu besuchen. Ich würde meinen Neffen James wiedersehen, den Sohn meines Bruders, der im vergangenen Oktober unerwartet und viel zu jung verstorben war. Es war ein Trost, all diese Gesichter vor Augen zu haben.
    Und natürlich würde ich auch Frannie wiedersehen, den Hund mit dem hübschesten Aussehen und den schlechtesten Manieren der Welt. Den Hund, der nie kam, wenn man ihn rief… ein echt irres Tier. Schon der Gedanke an Frannie ließ mich lächeln.
    Immer wieder hatte ich mir gesagt: Wenn meine Zeit zum Sterben kommt und ich an alles zurückdenken und über meine Taten und Erfahrungen lachen kann, habe ich ein gutes Leben gehabt. Es geht nicht um Geld oder Ruhm oder Schicksal. Es geht darum, wie man sein Leben lebt. Und ich hatte ein glückliches Leben.
    Und keinerlei Lust, es jetzt schon zu beenden.
    Ich starrte zu den grünen Streben unter dem Bootsdach hinauf, die eine Art Kreuz bildeten, und schloss die Augen.
    Drei Stunden später, kurz vor Sonnenaufgang hatten die Piraten wieder ihren Sprechgesang angestimmt. Mir kam der Gedanke, dass sie als Muslime fünfmal am Tag beteten, und dass diese Todesrituale zeitlich damit zusammenhängen könnten. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Young Guy mich beobachtete. Offensichtlich bemerkte er auch, dass ich emotional aufgewühlt war, und genoss es zu sehen, wie leid es mir tat, meinen Lieben zu Hause solchen Kummer bereiten zu müssen. Ebenfalls aus dem Augenwinkel sah ich, dass auch die anderen mich ständig beobachteten.
    Das machte mich nun wirklich wütend.
    Niemals würde ich diesen Typen die Genugtuung bereiten, mich vor ihnen zu ducken und zu zittern. Diese Befriedigung würde ich ihnen nicht gönnen. Die Wut verdrängte die Gesichter meiner Lieben aus meinen Gedanken. Erst musste ich mit diesen Schweinehunden fertig werden.
    Ich starrte Young Guy direkt ins Gesicht, dann wandte ich den Blick wieder ab. Ich wappnete mich innerlich, vertrieb jede Emotion und ließ mein Gesicht so hart und kalt und so fanatisch werden, wie ich nur konnte. Dann schaute ich ihm wieder direkt ins Gesicht. Ich fing an zu lachen. Schaute wieder weg, immer noch grinsend.
    »Ihr denkt wohl, ihr habt hier die Oberhand«, sagte ich verächtlich. »Aber eins muss euch doch klar sein: Keiner von uns, weder ihr noch ich, kommt hier lebend raus.«
    Sein Gesicht erstarrte buchstäblich, und er zuckte zurück. Auch die anderen starrten mich an, als hätte ich zwei Köpfe.
    »Du bist verrückt, bist verrückt«, sagte Young Guy.
    »Wer, ich? Verrückt?« Ich schaute ihn durchdringend an. »Nein, ich bin nicht verrückt. Aber ich bin irre.«
    Zur Hölle mit diesen Typen und ihren Psychospielchen. Das kann ich auch.
    An diesem Nachmittag sprach der Anführer

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