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Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Titel: Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Captain Richard Phillips , Stephan Talty
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und zu kam einer der Piraten herüber und tastete meine Hände ab. Sie waren inzwischen ziemlich angeschwollen und wund von den Fesseln. Er zwickte meine Finger und wartete auf eine Reaktion, aber ich spürte es kaum.
    »Oh, das ist gut, das ist gut!«, sagten sie dann. Vielleicht wollten sie erreichen, dass ich meine Hände nicht mehr benutzen konnte, oder sie wollten mir einfach nur Schmerzen zufügen. Keine Ahnung. Meine Gedanken wanderten ziellos herum. Ständig bewegte ich die Hände und versuchte, den Spielraum in den Fesseln zu vergrößern. Ich bückte mich sogar, schob die Hände an den Mund und versuchte, die Seile durchzunagen. Aber sie waren von hervorragender Qualität – wahrscheinlich würde ich eine Woche brauchen, um sie durchzubeißen.
    Musso bemerkte, dass ich an dem Seil nagte.
    »Nein, das nicht machen!«, schrie er, sprang auf und kam zu mir. »Das ist halal. Darfst du nicht mit Mund berühren.«
    »Halal.« Das Wort benutzten sie jetzt öfter. Ich vermutete, es hieß so etwas wie »rein«, in einem religiösen Sinn.
    »Wenn du noch einmal daran nagst, knebeln wir dich!«, drohte er. Er war richtig wütend, offenbar aber auch angeekelt.
    »Okay, ich höre auf zu nagen.«
    »Auch nicht mehr bewegen!«
    »Nein, damit höre ich nicht auf!«, schrie ich ihn an. Ich hatte sowieso kaum Bewegungsmöglichkeiten. Sie wollten, dass ich still wie eine Leiche liegen blieb.
    »Nicht bewegen!«
    »Und – wie willst du mich daran hindern?«, fragte ich sarkastisch. »Willst du mich etwa fesseln?«
    Musso zischte mich an, endlich die Klappe zu halten.
    Während ich mich mit den Piraten herumstritt, erhielt Andrea zu Hause Anrufe von praktisch allen Menschen, die sie kannte. Sogar von einem alten Freund, mit dem sie eine Zeit lang gegangen war, bevor wir uns kennen gelernt hatten. »Er war meine erste große Liebe«, erzählte sie mir. »Wir hatten uns völlig aus den Augen verloren. Aber jemand sortierte die Anrufe für mich, und als ich gefragt wurde, ob ich diesen Mann kenne, sagte ich sofort, dass ich den Anruf entgegen nehmen würde.«
    Sie meldete sich. »Ach, so ist das also. Kaum denkt da einer, ich sei wieder zu haben, ruft er auch schon an.«
    Er lachte. »Ich hab dich im Fernsehen gesehen«, sagte er. »Da musste dich einfach anrufen. Wie ich sehe, hast du deinen Sinn für Humor nicht verloren.«
    »Er sagte, ich hätte gut ausgesehen, was mir ein bisschen surreal vorkam«, erzählte mir Andrea weiter. »Er wollte mir nur einfach sagen, dass er an mich und meine Familie denkt. Ich weiß, dass es ihm schwer gefallen sein muss, mich einfach so mal wieder anzurufen.«
    Die Unterstützung war manchmal geradezu überwältigend. Da kamen Leute zur Tür herein, die hysterisch weinten und immer wieder sagten: »Oh mein Gott, Andrea!« Worauf sie dann sagte: »Das wird schon wieder.« Die Leute waren dann ziemlich verblüfft: »Hey, eigentlich wollte ich dich trösten und nicht umgekehrt!«
    Freitagabend war unser kleines Farmhaus bereits voller Leute. Meine Schwestern reisten an und bereicherten die Versammlung mit ihren besonderen Eigenheiten. Die Phillips sind eine wilde Bande mit einem eigenen Humor, der nicht immer gut ankommt oder verstanden wird, und manchmal gilt das auch für Andrea. Ein Beispiel: An diesem Abend witzelten meine Schwestern mit ihr darüber, dass Hollywood aus der Geiselnahme einen Film machen könnte, und fingen schon mal mit dem Casting an: »Hm, vielleicht George Clooney als Hauptdarsteller?« Und meine Schwester Dawn, Gott stehe ihr bei, holte ein gerahmtes Foto von ihrer High School-Abschlussfeier heraus und stellte es in unserem Bett direkt neben Andreas Kopfkissen. Als Andrea ins Schlafzimmer kam und das Foto sah, fragte sie: »Dawn, was um alles in der Welt…«
    »Ist es nicht köstlich?«
    »Ist was nicht köstlich?
    »Der da war mein Date beim Abschlussball. Er hatte damals eine unglaubliche Ähnlichkeit mit Richard.«
    Das stimmte. Der Bursche hatte sogar einen Bart. Aber was hatte sein Foto neben Andreas Kopfkissen zu suchen? »Alle spotteten damals, dass ich mit meinem eigenen Bruder zum Ball ging!«, erklärte Dawn und bekam einen Lachanfall. »Ach, das Foto musste ich einfach mitbringen!«
    Auch Andreas Freundinnen Amber und Paige kamen in unser Haus. Paige hatte dafür sogar ihren Snowboard-Urlaub in Colorado vorzeitig abgebrochen. Sie wussten beide, dass sie Andrea nicht wie ein Porzellanpüppchen behandeln durften. Wie mir Andrea später erzählte, saß sie einmal

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