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Höllental: Psychothriller

Höllental: Psychothriller

Titel: Höllental: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Bodenwelle. Der Stahlrohrrahmen des durchgesessenen Sitzes schlägt mir gegen den Steiß. Das Funkgerät in der Halterung gibt einen merkwürdig quiekenden Laut von sich. Unser Fahrer Harry gibt sich alle Mühe, aber er hat es nicht leicht. Langsamer zu fahren kommt nicht in Betracht. Wer langsam durch die engen Straßen rollt, bietet sich als Zielscheibe geradezu an.
    Ich behalte den rechten Straßenrand im Auge. Mein Kamerad Lennard, der hinten sitzt und eigentlich oben an der Luke das MG bedienen müsste, es wegen des Sandsturms aber vorzieht, drinnen zu bleiben, den linken. Obwohl mir keine verdächtige Bewegung entgehen würde, bin ich nicht hundertprozentig konzentriert. Dieser beschissene heiße Wind schneidet durch meine Gedanken. Wie immer komme ich mit dem Wind nicht so gut zurecht, keine Ahnung, woran das liegt.
    Mein Finger streichelt über die leichte Einkerbung am Abzug der Mossberg. Ich liebe es, einen Fingernagel in diese Einkerbung zu schieben und dann plötzlich hervorschnellen zu lassen. Es ist, als wollte ich den Schuss vorwegnehmen.
    Von links rennt eine Schar Kinder über die Straße, keines älter als zehn. Zwei tragen Sandalen, die anderen sind barfuß. Keines ist auffällig dick, auch tragen sie Jeans und offene Hemden und keine Kaftans, unter denen sich so hervorragend Sprengpakete verstecken lassen. Ein dickes Kind im Kaftan hätte ich sofort ins Visier genommen. Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen, dass ich beim Anblick eines Kindes mal automatisch zur Waffe greifen würde.
    Die Welt ist widerlich geworden.
    Die Kinder verschwinden, ehe wir die Stelle erreichen.
    »Rechts!«, brüllt Harry gegen den Motorlärm des Humvee an, als wir uns der nächsten Kreuzung nähern. Wir wählen jeden Tag eine neue Route, und er gibt immer an, in welche Richtung es geht. Das ist vor allem für Lennard hinten gedacht, damit er weiß, was ihn erwartet. Ich selbst kann es auf dem GPS -Tracker über dem Schalthebel sehen, denn dort ist die Route durch eine blaue Linie vorgegeben.
    Hoffentlich sind wir bald raus aus den Gassen. Ich hasse die Enge, die trostlosen, immer gleichen Lehmfarben, diese unordentlich gespannten Stromleitungen, diese Nachlässigkeit in allem. Ich kann nicht richtig denken in diesem Wirrwarr.
    Der Auftrag für heute ist klar umrissen, und dafür bin ich dankbar.
    Wir fahren vom Lager aus durch den westlichen, vergleichsweise ruhigen Stadtteil hinaus in die Ebene und von dort hinauf zur Chak-Talsperre. Dort kontrollieren wir den veralteten Damm und die Umgebung und kehren dann um. Das ist eine Tour von fünf Stunden – wenn es keine Zwischenfälle gibt. Unser Zugführer hätte beim Morgenappell nicht darauf hinweisen müssen, wie wichtig der Betrieb des Wasserkraftwerks oben an der Talsperre ist. Das Kraftwerk versorgt seit Jahren das Sechzig-Betten-Hospital der Stadt kostenlos mit Strom, und das soll auch so bleiben. Dafür sind wir da.
    Harry kurbelt am Lenkrad. Der Humvee schießt um die enge Kurve, die Räder radieren bockend über den festgefahrenen Boden und wirbeln jede Menge Staub auf. Für einen Moment ist unsere Sicht gleich null. Ich hasse es, nichts sehen zu können. Mein Finger verlässt die Einkerbung und legt sich um den Abzug.
    Die Sicht wird wieder besser. Vor uns öffnet sich die staubige Weite. Im Hintergrund steigen eigentlich die runden Berge auf, doch die sind heute nicht zu sehen. Harry fährt in höllischer Geschwindigkeit zwei Kilometer über offene Piste, bevor er den Humvee in einer tiefen Senke zum Stehen bringt.
    Eine halbe Minute bleiben wir schweigend sitzen.
    »Ich muss pissen«, sagt Harry schließlich und steigt aus.
    Ich folge ihm, einen Moment später auch Lennard. Zwar verspüre ich keinen Druck auf der Blase, nutze aber die Gelegenheit, die es für die nächsten zwei Stunden nicht mehr geben wird.
    Sauber in einer Reihe aufgestellt, den Rücken in den Wind gedreht, stehen wir drei da und pissen in den Wüstensand. Die Feuchtigkeit verschwindet, als wäre sie nie da gewesen. Harry furzt laut. Damit kann selbst der Wind nicht mithalten.
    »War verdammt ruhig in der Stadt«, sagt Lennard. Sein Bogen reicht am weitesten, er ist aber auch am größten.
    »Kann am Sturm liegen«, sage ich.
    »Als ob der Sturm die Afghanen je von etwas abgehalten hätte«, wendet Harry ein.
    Seine Augen suchen einen Horizont ab, den keiner von uns sehen kann.
    »Die Hälfte von denen wird im Sturm geboren.«
    Wir erledigen unser Geschäft schnell und suchen

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