Höllental: Psychothriller
Sie sich.«
Roman setzte sich in den Besucherstuhl. Er kam sich vergewaltigt vor. Der bissige Ton in Leitenbachers Stimme löste eine Welle der Wut in ihm aus, aber er schluckte sie hinunter.
»Dr. Schollerer meint, ich sollte mit Ihnen darüber sprechen«, sagte Roman. Das sollte ein Schutzschild sein, klang aber einfach nur albern.
Leitenbacher grinste. »Und Sie machen immer, was der Herr Doktor sagt?«
»Wir sind gut befreundet, und in der Regel höre ich auf den Rat eines Freundes.«
»Na, wie schön. Dann legen Sie mal los. Ich will zu Hause sein, bevor die Straßen glatt werden.«
Also erzählte Roman alles noch einmal so, wie er es vor einer Stunde Tobias erzählt hatte. »Und gerade eben habe ich am Telefon erfahren, dass Laura Waiders Vater heute verstorben ist«, beendete er seinen Bericht mit der aktuellsten Neuigkeit. Zu seiner Überraschung hatte Leitenbacher ab dem Moment, als er von dem Eintrag im Einsatzbuch der Bergrettung erzählte, mitgeschrieben. Auch der Spott war aus seinem Blick verschwunden.
»Friedhelm Waider, der Unternehmer, ist tot?«, fragte er nun erstmalig nach.
»Ja. Wahrscheinlich ein Herzinfarkt.«
»Würde mich bei dem Choleriker nicht wundern«, nuschelte Leitenbacher und warf einen Blick auf seine Notizen. »Ich will sichergehen, dass ich alles richtig notiert habe. Die Alarmierung der Bergwacht war am 25.7. dieses Jahres?«
»Richtig.«
»Die jungen Leute, die dabei waren, heißen: Richard Schröder, Armin Zoltek, Bernd Lindeke und Mara Land?«
»Mara Landau.«
Leitenbacher korrigierte den Namen. »Der von den Waiders engagierte Privatdetektiv heißt Robert Sand?«
»Nein. Torben. Torben Sand.«
Leitenbacher ließ den Kugelschreiber fallen, lehnte sich zurück und sah Roman nachdenklich an.
»Werden Sie etwas unternehmen?«, fragte Roman. Er konnte Leitenbachers Blick nicht deuten und fürchtete schon, er würde sich über ihn lustig machen.
Der Kommissar ließ sich mit einer Antwort Zeit. Er legte die Ellenbogen auf die Armstützen des Drehstuhls und tippelte mit den Fingerspitzen auf dem abgewetzten Plastik herum.
Roman begann zu schwitzen. Es war warm hier drinnen, und sie trugen beide ihre dicken Winterjacken.
»Ich werde das überprüfen«, sagte Leitenbacher schließlich. »Finde ich heraus, dass Ihre Angaben korrekt sind, leite ich eine Ermittlung ein. Aber erst morgen.«
Das reißende Wasser ließ ihm keine Chance. Es wirbelte ihn herum, bis er nicht mehr wusste, wo oben und unten war, stieß ihn ein paarmal an die Wasseroberfläche, wo er verzweifelt nach Luft schnappte, zog ihn wieder runter, presste ihn gegen den steinigen Boden und zog ihn so lange mit sich, bis die Fließgeschwindigkeit nachließ.
Erst als die Wertach ruhiger wurde, schaffte Ricky es, mit wilden Schwimmbewegungen ans Ufer zu gelangen. Dort klammerte er sich an das lange Gras, das wie altes Haar von der B öschung hinunterhing. Er hustete, spie Wasser aus und atmete hektisch. Mit den Füßen versuchte er, irgendwo Halt zu finden, aber der matschige Grund sackte einfach so weg. Schließlich gelang es ihm, eine feste Baumwurzel zu packen. Daran zog er sich dicht an die Böschung. Als er sich etwas beruhigt hatte, warf er einen Blick zurück.
In einiger Entfernung, vielleicht hundert Meter, stürzte das Wasser sprudelnd und Gischt aufwirbelnd über die Kante des Mühlenstaudamms. Auf der linken Seite der Mauer stand der Fremde und starrte ins Wasser.
Ricky ließ das Gras los und tauchte unter. Die Entfernung war nicht groß genug. Trotz des trüben Dezemberlichts könnte der Mann ihn hier im ruhigeren Wasser entdecken. Also ließ Ricky sich noch ein Stück vom Fluss mitziehen. Als seine Atemluft knapp wurde, näherte er sich erneut dem Ufer und zog sich an dem Gras empor. Aber nur so weit, dass er Luft holen und sich orientieren konnte.
Ungefähr fünfzig Meter hatte er hinter sich gebracht. Die Staumauer war noch zu sehen, das Rauschen des Wassers aber fast nicht mehr zu hören. Der Mann war von der Mauer verschwunden.
Hatte er aufgegeben, oder lief er ihm nach?
Ricky wusste, er konnte nicht mehr lange in dem kalten Wasser bleiben. Schon jetzt zitterte er, und seine Arme und Beine schmerzten. Ein paar Minuten könnte er vielleicht noch aushalten, länger nicht. Vielleicht sollte er diese Zeit nutzen, um noch mehr Abstand zwischen sich und die Mühle zu bringen.
Obwohl es ihn einige Überwindung kostete, ließ er das Gras los und tauchte erneut unter. Diesmal ließ er sich
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