Hoellentrip
Beschlägen, stand eine goldene alte Uhr, im Stil Louis XV, soweit sie das mit ihren kunstgeschichtlichen Kenntnissen aus d er Schulzeit beurteilen konnte. Ob es alles Erbstücke waren? Sie wurde das Gefühl nicht los, dass das Haus mit seiner Einrichtung ganz und gar n icht zu Archie und Mae passte.
„Alles okay“, rief Sophie hereinkommend, „Ich hatte die Putzfrau dran, aber sie hat mir versprochen, unsere Verspätung auszurichten.“ Erleichtert nahm Sophie am Tisch platz. „Uh, ist der bitter!“ Sie verzog den Mund und stellte die Kaffeetasse ab.
„Alles in Ordnung?“ Mae war hereingekommen, „Haben S ie jemanden erreicht?“ Sie gab Sophie eine Tube. „Reiben Sie’s dünn drauf.“
„Danke Mae, also ich weiß wirklich nicht, wovon...“ Sophie schraubte die Tube auf.
„Na ja, manchmal gibt’s auch eine Allergie, kenn’ ich. Aber seien Sie unbesorgt, die Salbe ist ein Wundermittel!“, Mae sah zu, wie Sophie die Salbe einrieb.
„Sagen Sie Mae“, begann Catherine, „wie lange dauert es, bis Archie zurückkommt?“
„Oh, er muss noch ein paar andere Dinge besorgen, aber am Nachmittag ist er sicher wieder da!“, sagte sie freundlich und nahm von Sophie die Tube entgegen.
Am Nachmittag! Catherine hatte gehofft, am Nachmittag schon Hunderte von Kilometern von hier fort zu sein. Am Nachmittag – das bedeuteten noch mindestens vier oder fünf Stunden! Ent täuscht trank sie den bittersüßen Kaffee, und plötzlich, trotz ihrer Müdigkeit, verspürte sie den Drang, der Düsterheit und Stickigkeit des Hauses zu entfliehen. Sie sehnte sich nach frischer Luft, Wärme und Licht. Entschieden stellte sie den Kaffeebecher auf den Tisch.
„Ich vertrete mir draußen ein bisschen die Beine“, wandte sie sich an Sophie, „kommst du mit?“
„Gehen Sie nur“, beeilte sich Mae zu sagen. „Passen Sie aber auf wegen der Giftschlangen. Gestern hat Archie e ine King Brown erschlagen. Und S ie wissen ja, die kommen immer zu zweit.“
35
Helligkeit und Hitze trafen sie mit voller Wucht. Ihre Augen, nur an das Dämmerlicht im Haus gewöhnt, zuckten schmerzhaft zu sammen. Ihre Sonnenbrille lag im Gästezimmer, fiel ihr ein. Aber auf gar keinen Fall wollte sie jetzt dorthin zurück, um sie zu holen. Mit zusammengekniffenen Augen ging sie Sophie voran, die Stufen hinunter, den Weg zum Gartentor, das sie gestern N acht gar nicht wahrgenommen hatte. Ein Gartentor – dort, wo niemand vorbeikam.
Vor der Garage, einer niedrigen Baracke aus braungestrichenem Holz, parkte ihr Auto. Weiter hinten befand sich ein Nebengebäude, in dem Farmarbeiter untergebracht werden konnten. Daneben, zwischen Rosenbüschen und rosa blühenden Oleandersträuchern, war ein Wohnwagen abgestellt. Hinter Büschen und einer Palme leuchtete das helle Rot eines Tennisplatzes, das Netz am Boden schleifend, zerfetzt von Regen und Wind.
„Kann mir gar nicht vorstellen, dass Mae und Archie Tennis spielen“, bemerkte Sophie, die Hand über d ie Augen haltend.
„Vielleicht haben sie ja Kinder, danach haben wir noch gar nicht gefragt“, entgegnete Catherine. Eigentlich aber war es ihr egal, wer auf diesem Platz spielte oder nicht spielte. Sobald Archie das Ersatzteil eingebaut hätte, würden sie abfahren. Es konnte sich nur noch um wenige Stunden handeln. Jeder Schritt fiel ihr schwer und jeder Atemzug in der grellen Hitze bedeutete Mühe. Ihre Füße waren angeschwollen und auf ihrer Stirn klebte kalter Schweiß. Dennoch fühlte sie sich hier draußen wohler als im Haus. Die Luft schwirrte von den schrillen Stimmen der Insekten.
Trotz der glühenden Hitze schafften sie es über den ausgefahrenen Weg bis zum Holzgatter, durch das sie gestern gefahren waren. Sophie stöhnte und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Fiebrig rot glühten ihre Wangen und ihr Haar war stumpf.
„Ich fühle mich krank.“ Mit einer kraftlosen Handbewegung verscheuchte sie die Fliegen . Ich hasse den Busch. Ich will heim.“
Catherine atme te schwer, blieb stehen. „Ich will auch zurück nach Brisbane.“
Sophie nickte. „Ja, sobald Archie unser Auto repariert hat, fahren wir zurück.“
In seltener Eintracht machten sie kehrt und gingen über das versengte braune Gras in Richtung des Hauses zurück. Catherine zog Sophie nach links, wo ein breiterer Pfad begann und in den Schatten alter, hoher Bäume führte. Das Verlangen nach Kühle und Schutz vor der Sonne ließ sie schneller gehen und unter dem dunkelgrünen Blätterdach
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