Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höllenzeit

Höllenzeit

Titel: Höllenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Blick auf mein Kreuz stellte ich fest, daß es anfing heller zu schimmern.
    Es hatte die böse Macht im Körper des Mannes gespürt, und es kämpfte dagegen an. Hoffentlich geriet Bruder Shiram nicht zwischen diese gewaltigen Mahlsteine.
    Dann war das Bild verschwunden. War wieder untergetaucht, die
    ›normale‹ Pupille lag vor mir.
    Ignatius stieß mich an. »Das war wie beim erstenmal«, sagte er leise, »nur eben etwas intensiver und länger.«
    »Hast du eine Erklärung?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht.«
    Unser Gespräch wurde von einem lauten Stöhnen unterbrochen. Der Verletzte hatte es ausgestoßen. Sein Gesicht war durch starke Schmerzen gezeichnet, er krümmte sich plötzlich, ließ auch das Kreuz los, das vor seinen Füßen zu Boden fiel.
    Ich bückte mich rasch und hob es auf.
    Shiram mußte Schreckliches erlebt haben. Die Nachwirkungen peinigten ihn, denn sein Körper zuckte. Er hielt den Mund weit offen, saugte die Luft ein wie durch eine Röhre, aber er schaffte es nicht, uns eine Erklärung zu geben.
    Bentini holte ihm Wasser. Ertrank es hastig, die Flüssigkeit rann noch an seinen Lippen entlang über den Hals. Er hatte kaum noch Kraft, das Glas zu halten. Bevor es zu Boden fallen konnte, nahm ich es ihm ab und stellte es weg.
    »Es ist so schlimm…« Er quälte sich die Worte über die Lippen. »So grauenhaft…«
    »Was ist grauenhaft, bitte?«
    »Alles ist schlimm. Sie haben mich. Ich kann nicht mehr. Sie sind stärker…«
    Seine Worte gefielen mir nicht. So sollte es nicht laufen. Ich wollte nicht, daß er aufgab und beugte mich ihm entgegen. »Nein, Shiram, sie sind nicht stärker. Es ist so, daß die Hölle nicht stärker sein kann. Hast du gehört?«
    »Nichts mehr machen… vorbei… verloren…« Seine Antwort war ein Gestammel, und gleichzeitig zuckte er mit seinem linken Bein, wobei der Fuß über den Boden scharrte.
    Keiner von uns wußte, was es bedeutete. Wahrscheinlich wollte er uns ein Zeichen geben. Ich stand am günstigsten und schaute nach unten.
    Bruder Shiram trug eine Kutte. Unter ihrem Saum war auch sein Fuß verschwunden. Um ihn zu sehen, mußte ich die Kutte erst anheben, was ich auch tat. Ich sah einen dunklen Schuh, zerrte den Stoff weiter hoch – und nahm bereits den Geruch war.
    Kalter Rauch, verbranntes Fleisch…
    In mir rasselte eine Alarmsirene. Mit einem Ruck zerrte ich die Kutte noch höher. Ich wollte sehen, auch wenn es schlimm war. Es war schlimmer, als ich gedacht hatte. Es war furchtbar und schrecklich.
    Bis hoch zum Knie konnte ich schauen. Von seinem Bein war bis dorthin nichts mehr normal. Keine Haut, kein Fleisch mehr, weiße Knochen, die wie blinde Spiegelfetzen durch das verbrannte Fleisch schimmerten. Da wußten wir, daß wir verloren hatten…
    ***
    In den folgenden Sekunden war es sehr still. Keiner von uns traute sich, ein Wort zu sagen. Wir schauten uns an, und Monsignore Bentini wischte über sein Gesicht, als wollte er dort einen bösen Schatten wegputzen. Er hob die Schultern, sagte nichts, während Ignatius neben mir stand und die Hände zu Fäusten geballt hielt.
    Hinter meiner Stirn tuckerte es. Ich spürte, wie mich die Kraft für einen Moment verlassen hatte. Auf einmal wünschte ich mich weit, weit weg, es war einfach zu schlimm, diese Niederlage miterleben zu müssen.
    Ja, wir hatten verloren. Während wir versucht hatten, an sein Geheimnis heranzukommen, hatte es die andere Seite geschafft, ihn weiter unter ihre Kontrolle zu bringen.
    Bruder Shiram hatte sein Bein ausgestreckt. Drei Augenpaare schauten es an, der Verletzte selbst hielt die Augen geschlossen. Die Wunde war schwarz, sie schimmerte wie Öl, etwas bewegte sich darin. Beim näheren Hinsehen stellte ich fest, daß es Maden oder Spulwürmer waren. Dieser Mensch verfaulte vor unseren Augen, so schlimm es auch war, und über meinen Rücken floß die Kälte wie ein eisiger Schauer.
    »Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust«, zitierte Bentini Faust, und damit hatte er recht.
    Ja, es waren zwei Seelen – eine normale und eine, die vom Bösen überfallen worden war.
    Und dieses Böse dachte gar nicht daran, sich zurückzuziehen. Es blieb, es war das Grauen, das sich immer weiter fraß, und ich sprach das aus, was die anderen beiden wohl auch dachten. »Wir sollten ihm die Kutte ausziehen.«
    Ignatius war damit nicht einverstanden. »Meinst du wirklich?«
    »Ja. Warum bist du dagegen?«
    Er hob die Schultern. »Ich kann es dir schlecht erklären, und ich denke dabei auch mehr an

Weitere Kostenlose Bücher