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Höllenzeit

Höllenzeit

Titel: Höllenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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mich. Die Kutte ist für uns Brüder so etwas wie Symbol. Sie ist nicht nur ein Kleidungsstück, das uns wärmen soll. Ich weiß nicht, ob du mich verstehst, John, aber…«
    »Doch, mein Freund, das kann ich mir gut vorstellen. Ich finde es jedoch besser, wenn wir sie ihm ausziehen. Wir müssen Klarheit haben, wie weit die andere Seite von ihm Besitz ergriffen hat. Sie will ihn verfaulen lassen, wir haben dies nicht stoppen können, und werden es auch wohl nicht schaffen. Bevor es soweit ist, daß er… nun ja, ihr wißt schon, müssen wir noch einmal versuchen, ihn zum Reden zu bringen.«
    »Kannst du nicht dein Kreuz einsetzen?«
    »Wie denn?«
    »Indem du es auf die linke Körperseite legst.«
    »Nein.« Meine Antwort hatte so entschieden geklungen, daß er zusammengezuckt war.
    »Wieso nicht?«
    »Ich möchte ihn nicht zerstören, verstehst du? Ich will nicht, daß er vernichtet wird, er soll leben, wenigstens so lange wie möglich. Wenn ich die Seite zerstöre, dann wird auch seine andere Körperhälfte kaum noch existieren können. Kommt, wir ziehen ihm die Kutte aus. Wir müssen sehen, wie weit die Veränderung schon fortgeschritten ist, und ich möchte dabeisein, wenn sie sich weiter bildet.«
    Ob ich meinen Freund Ignatius überzeugt hatte, wußte ich nicht.
    Jedenfalls sträubte er sich nicht dagegen, Bruder Shiram die Kutte auszuziehen. Auch Bentini half mir. Seinem Gesicht sah ich an, daß es ihm nicht recht war.
    Draußen tobte weiter der Sturm. Er heulte um das Haus. Manchmal schrie der Wind, als wäre er angefüllt mit jammernden Seelen verstorbener Gestalten.
    Bruder Shiram bekam kaum mit, daß wir ihn entkleideten. In grauer Unterwäsche saß er vor uns. Wir hatten ihm auch noch ein schlichtes Hemd ausgezogen, und im kalten Licht der Deckenleuchten sahen wir, was mit ihm geschehen war.
    Die Veränderung, dieses Verbrennen ohne Feuer war weiter fortgeschritten, als wir angenommen hatten.
    Beinahe die gesamte linke Körperseite bestand aus verbranntem Fleisch, das uns an der Oberfläche vorkam wie knisternde Stoffreste.
    Nur am Hals waren einige Stellen verschont geblieben, doch auch sie schimmerten bereits bläulich und würden sich bald mit dem anderen vereinigt haben.
    Es war ein Schock für mich. Ich hatte gedacht, noch etwas retten zu können und mußte nun einsehen, daß wir mit Bruder Shiram nicht mehr rechnen konnten.
    Wir schauten uns an.
    Deprimiert, enttäuscht, und Monsignore Bentini sagte: »Da ist wohl nichts mehr zu machen.«
    Diesen tiefsitzenden Pessimismus teilte ich nicht. »So würde ich nicht denken, Monsignore. Ich glaube schon, daß wir hier etwas machen können, denn dieser Mann ist nicht tot.«
    Beinahe strafend blickte er mich an. »Aber so gut wie, und das wissen Sie genau, Mister Sinclair.«
    »Er wird noch reden können.«
    »Schauen Sie ihn sich doch an. Die eine Seite ist…«
    »Er lebt trotzdem.«
    Auch Shiram hatte uns gehört. »Nicht mehr lange«, sagte er röchelnd.
    »Ich spüre, daß die andere Seite stärker ist. Ich habe mich zu tief mit ihr eingelassen. Ein Schauer rann über seinen Körper, der nur die normale Hälfte erfaßte. Sie sind nicht zu stoppen. Ihr müßt versuchen, die Lade zu finden. Irgendwann, aber trotzdem so schnell wie möglich.«
    Legte man strenge Maßstäbe an, so hatte die letzte Antwort nur mehr aus Worthülsen bestanden. Bis eben auf eine Ausnahme. Er hatte den Begriff Lade erwähnt, und darüber war ich gestolpert.
    »Welche Lade meint er?« Die Frage war sowohl an Bentini als auch an Ignatius gerichtet, beide zögerten mit der Antwort, als wäre sie sehr schlimm.
    »Ihr wißt Bescheid, nicht?«
    »Ja«, sagte Bentini leise. »Können Sie sich nicht denken, was er damit gemeint hat?«
    »Nein, sorry, im Moment nicht.«
    Der Monsignore nickte. »Manchmal ist man blockiert, deshalb will ich es Ihnen sagen. Es gibt nur einen Gegenstand, der mit dem Begriff Lade bezeichnet werden kann. Ich will ihn präzisieren. Es gehören noch zwei Silben davor. Es ist die Bundeslade…«
    ***
    Ignatius erklärte, daß mit dem Finden der Bundeslade die Höllenzeit gestoppt werden konnte, aber das hörte ich nur wie am Rande.
    Der Schauer hüllte mich ein wie ein Tuch, denn ich dachte zurück an die großen Bibelstellen im Alten Testament, als die Juden aus Ägypten geführt worden waren, Moses auf den Berg stieg, die Zehn Gebote entgegennahm und die Tafeln in der Bundeslade versenkte. Er hatte seinem Volk die Gebote unter Feuer und Blitz

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