Hoffnung am Horizont (German Edition)
*
Annabelle erwachte mitten in der Nacht. Da sie nicht schlafen konnte, rollte sie sich auf den Rücken und ließ ihren Blick träge von einem Stern am Himmel zum anderen wandern. Sie legte die Hand auf ihren Bauch und versuchte sich vorzustellen, wem das Baby, das in ihr heranwuchs, ähnlich sehen würde, und ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Sie hatte in letzter Zeit keine Probleme mehr gehabt und dankte Gott im Stillen dafür.
Der Geburtstermin Ende Dezember war für sie immer noch sehr weit weg, aber sie wünschte sich trotzdem nicht, dass die nächsten Monate schneller vergingen. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, wie sie diesem Kind eine Mutter sein sollte, nagten Zweifel an ihr. Aber nach ihren vielen guten Erfahrungen mit Gott wollte sie darauf vertrauen, dass er ihr zur richtigen Zeit schenken würde, was sie brauchte.
Sie hörte eine Bewegung und stützte sich auf einen Ellenbogen. Sadie lag neben ihr. Sie war in eine Decke gerollt und schlief fest. Annabelles Blick wanderte über das Feuer hinweg zu Matthew. Sie konnte zwar sein Gesicht nicht sehen, aber das gleichmäßige Heben und Senken seines Brustkorbs verriet ihr, dass er ebenfalls noch schlief. Sie stocherte in dem erlöschenden Feuer und sah zu, wie die Flammen aufflackerten und neue Nahrung bekamen.
Eine Welle an Gefühlen durchflutete sie, die sie nur als tiefe Dankbarkeit beschreiben konnte. Ihr stockte der Atem, als sie an den Nachmittag zurückdachte, an dem sie und Matthew „zufällig“ Sadie in der Begleitung von Mason Boyd auf der Straße gesehen hatten. Die Chancen, das geliebte Mädchen zu finden, hatten mehr als schlecht gestanden. Aber Gott ließ sich von schlechten Chancen nicht beirren. Und auch nicht von dem, was in ihrem früheren Leben passiert war.
Die Nachtluft hüllte sie kühl und erfrischend ein. Sie legte sich wieder zurück und schloss die Augen. Tränen schlüpften unter ihren Lidern hervor. Keiner der Männer, mit denen sie zusammen gewesen war, hatte sich je bei ihr entschuldigt. Das hatte sie natürlich auch nicht von ihnen erwartet. Obwohl sie dieses Leben hinter sich gelassen hatte, wurde ihr in diesem Moment bewusst, dass sie ihre mangelnde Vergebungsbereitschaft, sowohl diesen Männern als auch sich selbst gegenüber, wie eine erdrückende Last mit sich herumtrug.
Sie atmete schwer aus und dann wieder tief ein und füllte ihre Lunge mit so viel Luft, wie sie darin unterbringen konnte. Ihr Brustkorb brannte leicht und ihr war ein wenig schwindelig. Sie wischte sich die Tränen weg und zog die Decke bis an ihr Kinn.
Wenn Gott jemandem wie ihr so viel vergeben konnte, konnte sie anderen doch bestimmt auch vergeben ...
* * *
Annabelle fühlte sich erholt und erfrischt, als sie am nächsten Morgen aufwachte. Nach dem Frühstück packte sie die Kisten wieder ein. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, dass sie heute Jonathans Ranch sehen würde, regte sich ein leichtes Kribbeln in ihrem Magen. Sie war sicher, dass Matthew genauso aufgeregt war wie sie. Er war schon vor Sonnenaufgang aufgestanden und hatte zügig die Schimmel angespannt.
Sie entdeckte ihn auf der anderen Seite des Lagers. Als sie daran dachte, wie er und Manasseh am Anfang ihres gemeinsamen Weges fast an jedem Morgen über die Prärie geflogen waren, vermutete sie, dass Matthew sich über eine Gelegenheit, wieder reiten zu können, bestimmt freuen würde. Besonders heute. Als sie ihn danach fragte, gab er zu, dass das wirklich schön wäre. Deshalb stiegen sie und Sadie auf den Kutschbock und fuhren hinter ihm her.
Bilder von der Ranch, die Jonathan in ihr Gedächtnis eingegraben hatte, tauchten vor ihrem geistigen Auge auf. Jonathan hatte recht gehabt. Idaho hatte viel Ähnlichkeit mit Colorado. Die Berge, die die Ebenen und die Täler überragten, dazu die vielen Kiefern und Fichten gaben ihr das Gefühl, nicht so weit von zu Hause weg zu sein. Aber je näher sie der Stadt Sandy Creek und ihrem neuen Zuhause kamen, umso angespannter wurden ihre Nerven.
Gegen Mittag erreichten sie Sandy Creek, aber sie und Matthew hatten vorher schon beschlossen, dass sie an der Stadt vorbeifahren würden, um noch vor Einbruch der Nacht die Ranch zu finden.
Sie rief Matthew, der vor ihnen ritt, zu: „Wie weit noch, Matthew?“
Obwohl sie sein Gesicht nur von der Seite sah, wusste sie, dass er lächelte.
„Wenn ich für jedes Mal, dass du mich das auf dieser Fahrt gefragt hast, einen Dollar bekäme, wäre ich schon ein reicher
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