Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asa Anderberg Strollo
Vom Netzwerk:
erfrieren. Was sollte Oma darauf antworten? Jonna drückt das Handy fester ans Ohr und versucht es noch einmal etwas lauter: »Oma? Bist du da?«
    Das Telefon in Jonnas Hand wird schweißnass, und sie schluckt. Hat Großmutter abgenommen und dann das Telefon fallen lassen? Oder ist sie selbst gestürzt? Oder ist sie einfach nur tierisch wütend, und sagt deshalb nichts?
    »Hallo?«
    Sie flüstert und fleht mit brüchiger Stimme, und dann kommt ein Räuspern, ein rasselnder kleiner Laut von Großmutter am anderen Ende. Oje. Weint sie? Ja, sie weint.
    Jonna schließt die Augen und versucht zu begreifen. Ja, wahrscheinlich hat Oma den ganzen Tag über Jonna angerufen und war verzweifelt, weil sie nicht an ihr Handy gegangen ist und auch nichts von sich hat hören lassen, und deshalb weint sie jetzt vor Erleichterung, da Jonna endlich anruft.
    Wow. Dieser kleine Laut lässt den ganzen Bahnhof einmal um sie und ihre errötenden Wangen kreiseln. Sie sieht zu dem Café-Typen hinüber, der den Daumen hochstreckt.
    »Aber Oma, es tut mir leid …«
    Die Worte bleiben ihr im Hals stecken, sie muss schlucken, um weiterreden zu können.
    »… ich wollte nicht, dass, dass …«
    Erneutes Schweigen, aber das ist vollkommen in Ordnung, jetzt, wo Jonna weiß warum. Jetzt, wo ihr das Herz in der Brust hüpft, und die Knie vor Freude wegsacken. Noch nie in ihrem Leben hat sie Großmutter wegen ihr weinen hören. Matt lässt sie sich auf den Treppenabsatz vor dem Café sinken. Aber schließlich ist sie auch noch nie zuvor von zu Hause abgehauen. Sie schnieft leise, macht wieder die Augen zu und findet den Kloß in ihrem Hals fast angenehm. Es war doch verdammt gut, dass sie abgehauen ist, jetzt hat mal jemand begriffen, wie wichtig sie ist.
    »Ich werde es schaffen, Oma, mach dir keine Sorgen.« Sie redet atemlos und hektisch. »Ich versuche, nach Hause zu kommen. Irgendwie …«
    Das ist es! Sie hat keine Ahnung, wie sie es mitten in der Nacht schaffen will, aber sie sieht den Café-Typen an, und er nickt und bedenkt sie mit einem sonnigen Lächeln, das sie überzeugt. Sie wird nach Hause kommen. Schließlich hat sie doch eine Familie, und alles wird gut werden.
    »Du, Jonna, hast du eben ›Weihnachten mit Ernst‹ gesehen, ist gerade gelaufen, ich glaub im Vierten.« Plötzlich fängt Großmutter an zu reden. »Er war in Funäsdalen und ist Schlitten gefahren, und das war so schön, dass ich seitdem die ganze Zeit hier auf dem Sofa gelegen und geheult habe.«
    Was? Ist sie besoffen?
    »Wo bist du eigentlich, Jonna?«
    Ja. Sie ist voll. Sie sagt »Wo bist du eigentlich?« und nicht »Wo bist du nur!«, das ist ein verdammter Unterschied. Jonna bleibt die Luft weg. Egal, wenn sie betrunken ist, aber was für eine verdammte Frage ist das? Hat die Frau nicht einmal gemerkt, dass Jonna weg ist?
    »Bist du bei einer Freundin, Jonna?«
    Freundin? Sie hat keine Freundinnen, verdammt noch mal! Wie kann sie nur so dämlich fragen? Da ist Jonna froh und gerührt, aber in Wirklichkeit liegt Großmutter nur auf dem Sofa und heult, weil sie so besoffen ist. Aber was hat Jonna denn geglaubt? Hat sie wirklich gedacht, dass IRGENDJEMAND in Kolsva ihr aus Sorge oder Sehnsucht nachweinen würde? Meine Güte, nach dem Morgen und nachdem sie sechzehn verdammte Jahre mit diesen beiden Frauen verbracht hat – hat sie denn immer noch nichts gelernt?
    Nun steht sie wieder draußen auf der Vasagatan. Der Wind fährt ihr durch die Knochen, und es schneit unverändert stark. Blaulicht und Sirenengeheul hallen von den Hauswänden wider, als ein Polizeiauto und eine Ambulanz vorbeipflügen, und Jonna flucht laut vor sich hin und läuft zitternd zur nächsten Bushaltestelle.
    Wie unglaublich bescheuert sie doch ist!
    Steht da wie ein kleines Kind, das wieder und wieder an eine Tür klopft, die sich doch niemals für sie öffnen wird. Aber sie kann die Dinge nicht so nehmen, wie sie sind, sondern läuft hier herum und träumt von einer Familie, die sie nicht hat.
    Und genau das tut so weh.
    Die Vergleiche. Die Hoffnung. Die Träume. Wenn sie nur aufhören könnte, so verdammt zu hoffen! Wenn sie nur ein für alle Mal einsehen könnte, dass Papa sich von Mama getrennt hat, weil sie geboren wurde, dass sie Mamas »Unglück« ist, und dass Großmutter gern die Retterin in der Not wäre, aber mit ihrer Quartalssauferei völlig nutzlos ist. Dass es bei Jonna Öberg zu Hause nicht automatisch gemütlich wird, nur weil Weihnachten ist, und dass es vollkommen idiotisch

Weitere Kostenlose Bücher