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Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asa Anderberg Strollo
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neue Form. Das liegt daran, weil Minken nur noch die Backenzähne hat.
    Die Lippen sind zwei dicke Wülste, und der Rest des Gesichts, Kinn, Stirn, Wangen und Kiefer besteht nur noch aus unterschiedlichen Wunden, Wunden mit schwarzen Stichen, hellrot gefärbt und dunkel verklebt.
    Aber am schlimmsten ist das Geräusch. Erst haben sie es nicht gehört, als die Krankenschwester das Zimmer verlassen hatte, waren sie zunächst über die Stille erstaunt gewesen. Dass Minken nicht in der Lage ist zu sprechen, dröhnte ihnen sozusagen in den Ohren. Dann haben sie leises Piepen und Rauschen von den Maschinen gehört, und jetzt, da sie sich auch daran gewöhnt haben, kommt das Geräusch aus dem weißen Gummischlauch dazu, den Minken im Rachen hat. Darin rasselt es schwach in gleichmäßigen Abständen.
    »Was hat die Schwester …«, Alex zeigt verwirrt auf den Schlauch, hier kann man kaum reden, sie flüstert die Frage, »… von den Operationen gesagt?«
    Jonna dreht langsam den Kopf und sieht Alex an. Sie spürt, wie die Freundin ihren Unterarm fest packt, als ob sie das Gleichgewicht verlieren würde.
    »War das, um … selbstständig schlucken zu können?«
    Ihr fällt ein Schatten über das Gesicht, der Alex plötzlich wie ein sehr kleines Kind aussehen lässt. Die Unterlippe zittert, und Stimme und Blick sind schmerzhaft nackt. Ihre Augen sind wässrig, jetzt zeigt sich, wie viel sie in sich hineingeschüttet hat, um das hier zu schaffen, sie ist schon sehr betrunken. Die kleine, toughe Alex hat zur vertrauten Methode gegriffen, die Situation zu bewältigen, aber dieses Mal hilft es nicht, jetzt ist sie drauf und dran zusammenzubrechen.
    »Äh, hmm …«
    Es tut Jonna weh, sie so zu sehen. Noch schmerzhafter ist es, diese Frage mit einem Nicken beantworten zu müssen, ja, es ging ums Schlucken, deshalb soll Minken noch einmal operiert werden. Sie hat auch nicht ganz begriffen, was die Krankenschwester gesagt hat, aber sie hat verstanden, dass er den Gummischlauch loswerden soll. Dass man hofft, Minken würde in Zukunft wieder seine eigene Spucke schlucken können.
    *
    Ich wünschte, dass 1. wir nicht dorthingefahren
wären. 2. ich ihn nicht gesehen hätte. 3., dass ich
stattdessen das andere Bild bewahrt hätte.
    Aber vor allem – dass wir die Flaschen nicht
geklaut hätten.
    Irgendwie schaffen sie es schließlich, von dem Geräusch wegzukommen, raus aus dem Zimmer, fort von der Abteilung und in einen Aufzug. Alex wird von Weinkrämpfen geschüttelt und schluchzt so, dass sie kaum gehen kann, und Jonna weiß nicht, welcher Aufzug sie nach unten zum Ein gang bringt. Aber dann findet sie den richtigen, und sie treibt Alex an, jetzt hat sie das Kommando übernommen.
    Unten im Erdgeschoss beruhigt Alex sich ein wenig, sie weint nicht mehr gar so schlimm, hängt aber immer schwerer an Jonnas Arm, was die wirklich stresst. Sie müssen jetzt raus aus dem Krankenhaus, sofort, bevor Alex umfällt oder anfängt, irgendwelche komischen betrunkenen Sachen zu machen.
    »Aber ich will …«
    Sie kommen in die große Eingangshalle, und Alex stöhnt und steuert auf eine Bank zu, sie will einen Moment sitzen.
    »Ich habe ihn geliebt. Wir haben uns geliebt. Ich …«
    Nein, das geht nicht. Na gut, zwei Minuten. Jonna vergewissert sich, dass Minkens Eltern nicht in der Nähe sind und sie auch sonst niemand beobachtet, und dann hilft sie Alex auf die Bank. Zwei Minuten kann sie sich ausruhen, aber dann müssen sie unbedingt zurück zum Bahnhof. Hier können sie nicht länger bleiben, an Orten wie diesem gibt es viel zu viele Augen und Ohren.
    Eine Bank direkt vor den automatischen Türen, Alex sinkt in sich zusammen und Jonna setzt sich daneben. Sie stützt den Kopf schwer in die Hände und schließt die Augen. Schock, Angst und Schmerz brennen und bohren sich immer tiefer in ihren Körper. Die Bilder auf der Netzhaut. Die Worte der Krankenschwester. Das rasselnde Geräusch. Und die Ungewissheit, das ist das Widerlichste, Schlimmste. Und in der Zwischenzeit gleitet Alex auf die Bank und rollt sich wie ein Embryo zusammen, die Hände als Kopfkissen unter dem Kopf.
    »Du, das geht nicht.«
    Jonna ist besorgt. Sie reißt sich zusammen und zerrt unerbittlich an Alex, hoch mit dir, hier drinnen musst du sitzen. Wenn du dich jetzt hinlegst, wirst du nur einschlafen. Sie fleht und zerrt, doch mitten im Kampf wird auch sie von Trauer und Verzweiflung übermannt und verliert alle Kraft.
    Was bringt das schon?
    Sie kann ruhig einen Moment hier auf

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