Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Hause und meine Pfefferkuchen verzieren, und deshalb musst du jetzt gehen.«
Sie verzieht die Oberlippe, und als Jonna sich immer noch nicht durchringen kann, über die Schwelle und in die Winternacht hinauszutreten, zieht die Frau ein Handy aus der Tasche.
»Wenn du nicht augenblicklich gehst, rufe ich einen Wachmann.«
Aber dann hält sie inne und legt den Kopf schief.
»Hör mal, tu dir das doch nicht an.«
»Was heißt hier ich …«
Jetzt laufen die dummen Tränen. Jonna schluchzt, sie ist jetzt wütend und erstaunt zugleich. Wenn sie einmal ihre Verstellung aufgibt und die Wahrheit sagt, dann droht man ihr mit einem Wachmann. Aber sie zischt zurück: »Ich bin doch nicht diejenige, die …«
»Also jetzt reicht es!«
»Sie sind es doch, die …«
»Wie auch immer. Ich rufe jetzt Verstärkung.«
Eigentlich müsste ihr doch klar gewesen sein, dass es nicht so einfach ist, einen Job zu finden.
Aber sie hat es einen ganzen langen Tag versucht, dabei ist es doch kurz vor Weihnachten, so unmöglich kann es doch wohl nicht sein. Irgendeinen einfachen Aushilfsjob hätte sie doch kriegen müssen, wo die Läden proppenvoll sind mit Kunden?
Stockholm ist eine verdammte Scheißstadt.
Den ganzen Tag hat sie gekämpft und sich angestrengt und ihr Bestes gegeben, und was hat sie dafür bekommen? Nichts. Es ist einfach gelogen, dass es reichen würde, wenn man sein Bestes gibt.
Und dann hat dieser Tag auch noch so ein blödes Ende genommen, damit ist das letzte Feuer in ihr erloschen. Die Verkäuferin hat telefoniert, und ein Wachmann kam, das reinste Muskelpaket, das, ohne genauer zu fragen, worum es ging, Jonna einfach auf die Straße gehoben hat. Da konnte sie reden, so viel sie wollte, der Wachmann hat ihr kein bisschen zugehört, sie hat gezappelt und geschrien, dass sie alleine gehen könne und dass er sie runterlassen solle. Er hat auf die Verkäuferin gehört, und die beiden haben sie behandelt, als sei sie eine verdammte Ladendiebin.
Draußen auf der Straße blieben die Leute stehen und glotzten, und erst hat Jonna sich darüber gefreut, dass es so viele Zeugen gab. Sie schrie, die Leute sollten das filmen und die Polizei rufen, aber da fing der Wachmann an zu brüllen, sie habe die Verkäuferin im Laden bedroht und würde von der Polizei abgeholt werden, wenn sie nun nicht gleich die Klappe halte.
Und da glaubte plötzlich niemand mehr Jonna. Das konnte sie sehen. Wer eine Uniform trägt, der kommt offenbar mit allem durch. Nachdem der Wachmann sie auf dem Bürgersteig vor dem Geschäft abgesetzt hatte, verschwanden die Menschen in alle Richtungen, als hätten sie Angst vor Jonna.
Verdammt. Sie sitzt auf einer eiskalten Bank in einem Park, der Kungsträdgården heißt, und versucht, mit dem Weinen aufzuhören, versucht, die Wut in ihrem Körper wieder zu beschwören, doch schlussendlich ist sie nur noch trauriger. Sie fühlt sich, als würde sie jemand in eine feuchte Decke wickeln, sie zittert, saugt die Luft zwischen den klappernden Zähnen ein und denkt über den nächsten Schritt nach. Was soll sie tun? Wohin kann sie gehen?
Über den dunklen Himmel gleitet ein Flugzeug, und aus alter Gewohnheit schaut sie hoch, folgt dem Flugzeug mit dem Blick und sieht, dass an den äußersten Flügelspitzen rot blinkende Lämpchen sitzen. Sie können auch blau blinken, und wie sie weiß, liegen hinter dem Cockpit mit all den Knöpfen die Sitzreihen und es gibt eiförmige, niedliche Fenster, das alles kann man im Fernsehen sehen. Aber wie es sich wohl anfühlt, auf einem der Sitze an einem der eiförmigen Fenster zu sitzen?
Ja, genau, hier hockt jemand, der das alles verpasst, der nicht die leiseste Ahnung hat. Ist das so, als würde man Zug oder Bus fahren? Oder wie wenn man mit einem alten Auto auf Aquaplaning gerät, sie stellt es sich als Gefühl des Schwebens vor. Wenn es nicht so peinlich wäre, könnte man jemanden fragen.
Da kommt ihr plötzlich der Gedanke, dass das ja vielleicht Mamas Maschine ist.
Vielleicht sitzt sie jetzt gerade in diesem Flugzeug, es ist von Arlanda gestartet und fliegt über die Bank, auf der Jonna hockt. Vielleicht stoßen die Verliebten da oben gerade mit Gin und Tonic an, und Claes verspricht »all inclusive« und dass die Betten auf Mallorca »kingsize« sind, und hier unten sitzt die missratene Tochter und weiß nicht mal, wo sie heute Nacht schlafen soll.
Oje. Jonna wischt sich mit beiden Händen über die Augen. Das war dumm. Hatte sie sich nicht geschworen, nicht
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