Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Stift setzen kann, leere Kaugummitüten und der Notizblock aus dem Schwedischunterricht, in den sie manchmal schreibt. Manchmal. Die erste Seite hat schon hässliche Flecken von dem Muffin bekommen. Wenn die nun heimlich kichern oder sie eklig finden, wenn sie nun meinen, dass sie genauso heruntergekommen ist wie die Zeitungsfrau im Eingang? Peinlich berührt schiebt Jonna schnell alles wieder in die Tasche. Sie rennt ja selbst mit
einer Menge Müll herum.
Ob sie wohl schon den ganzen Tag so ausgesehen hat? Sie dreht sich zur Spiegelwand hinter sich herum und wird nun richtig rot. Kein Wunder, dass sie keinen Job gefunden hat. Sie zieht die Haare aus dem Pferdeschwanz, seufzt und zupft an ihren Strähnen. Es sieht aus, als hätte sie altes Stroh auf dem Kopf. Die grünen und blauen Strähnchen, die sie so punkig fand, als sie sie gefärbt hat, wirken einfach nur noch grau. Die Stoffschuhe sind schmutzig, die Steppjacke verwaschen, und die Billigjeans haben Flecken und große Löcher an den Knien. Warum musste sie auch ausgerechnet die anziehen, als sie von zu Hause abgehauen ist? Vielleicht hätte sie das alles ein bisschen vorbereiten sollen und bis morgen warten, wo sie in der Waschküche an der Reihe wären.
Von wegen, auf keinen Fall.
Zweiundzwanzig, fünfundzwanzig, zweiunddreißig Personen gehen vorüber. Sie reißt sich zusammen, bindet die Haare wieder hoch und dreht dem Spiegel den Rücken zu. Dann zieht sie den Reißverschluss von der Schultasche zu und hängt sie sich verkehrt herum um, damit nicht noch einmal jemand in ihren Sachen herumfingert. Sie steht auf. Das Handy ist weg, und die Lust zu feiern auch. Wahrscheinlich hat sie auch keinen Grund mehr dazu.
Aber das heißt nicht, dass sie aufgegeben hätte.
Sie marschiert geradewegs zurück in den Spielzeugladen, sucht das nette Mädchen und erzählt ihr, dass sie bestohlen worden ist. Sagt, dass sie so schnell wie möglich ein neues Handy kaufen wird, und bittet sie, stattdessen eine Mail zu schicken, wenn zusätzliches Personal gebraucht wird.
»Wenn wir überhaupt Leute brauchen.«
»Ja, ja, wenn überhaupt.«
»Hast du denn keine Festnetznummer?«
Das Mädchen steht jetzt mitten im Laden und zeichnet Ware aus. Sie hält inne und fährt dann zögernd fort: »Denn wie willst du denn merken, dass wir dir gerade eine Mail geschrieben haben?«
Dann schüttelt sie den Kopf und will nicht einmal die Mailadresse notieren.
»Ne, du, tut mir leid, aber das funktioniert nicht. Wir müssen dich am Morgen gleich erreichen können, wenn du hier arbeiten willst.«
»Ja, aber ich verspreche, ich komme wie der Blitz!«
»Dann gib mir doch eine Handynummer von deinen Eltern. Wie alt bist du eigentlich?«
Vorhin wirkte sie noch so nett und gutgläubig, und jetzt hat sie plötzlich einen misstrauischen Blick und schmale Lippen. Sie will sich die immer verwickelteren Erklärungen von Jonna gar nicht anhören, sondern verschränkt die Arme vor der Brust und seufzt: »Hör mal, das geht gar nicht.«
»Bitte, ich brauche den Job!«
»Ja klar, komm halt wieder, wenn du ein Telefon hast, auf dem wir dich anrufen können.«
Jonna bemüht sich, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. Warum muss man unbedingt ein Handy besitzen, um in diesem Laden arbeiten zu können? Oder eine Festnetznummer haben? Sie bleibt ruhig und versucht eine Lösung zu finden, doch die andere widerspricht ihr einfach nur die ganze Zeit. Sie steht mit verschränkten Armen da, schüttelt stur den Kopf, und es ist ganz deutlich, dass sie nicht mehr will. Verdammter Mist! Schließlich brennt Jonna die Enttäuschung hinter den Augenlidern. Sie zischt: »Dann scheiß drauf, du Hexe!« und macht eine heftige Bewegung mit den Armen, sodass der ganze Berg ausgezeichneter Sylvanian-Families-Figuren über die rote Auslegeware rutscht.
Dann steht sie wieder in der Warmluftschleuse.
»Zurück auf Los«, aber der Monopoly-Gedanke macht nicht mehr so viel Spaß, denn jetzt muss sie sehr genau rechnen, um ihr Geld beisammenzuhalten. Zweiunddreißig, siebenunddreißig, achtunddreißig Steinplatten in der Breite, zehn, elf, dreizehn in die andere Richtung bis zur Bordsteinkante. Vierzehn Neonröhren und der einzige Mensch, der nicht einfach nur vorbeirennt, sondern der sieht, wie sie hier steht und zählt und zählt, ist die Frau mit dem Müllberg.
»Willst du eine Situation Stockholm kaufen? Nur vierzig Kronen.«
Sie wirft Jonna unter schwer hängenden Augenlidern einen Blick zu, und Jonna
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