Hoffnung: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
bitten will wegzugehen, wird sie von einem nebelblassen Sternchen dort draußen am Himmel überrascht.
Gestern waren es Millionen Sterne, heute ist es nur ein einziger am ganzen Himmel, und in den Ohren klingen ihr Elinas Worte über die Einsamkeit. Ach, Elina!
Wenn Elina doch nur noch ein Mal gehofft hätte. Wenn sie den Mund aufgemacht und jemandem erzählt hätte, dass sie geschlagen und betrogen worden war, wenn sie es geschafft hätte, an etwas zu glauben und noch ein letztes verfluchtes Mal an die verschlossene Tür zu klopfen, dann würde sie vielleicht jetzt hier sitzen.
Jonna kneift die Augen zusammen, plötzlich wird ihr pechschwarz und bleischwer in der Brust von all dem, was sie schmerzt und an ihr zerrt, und es kommen noch mehr Tränen. Und Sandra sitzt immer noch da, wo sie sitzt.
Verdammt noch mal.
Die Gedanken an Elina und Oma, drei beschissene Telefongespräche, von denen Alex sagt, dass sie beweisen, dass Oma sich doch um sie schert. Wenn das nun wahr ist? Wenn Jonna es einfach nur nie kapiert hat? Wenn es doch eine gute Sache wäre – es weiterhin zu versuchen?
»In meiner Schule war ein Mädchen, Angelika Andersson …«
Die Stimme, die schließlich in den Raum hinausschwebt, ist dünn wie ein Schleier. Jonna rotzt, schnieft und schlingt die Arme fest um den Brustkorb, als sie von Kolsva zu erzählen beginnt, von Mama, Oma und von Angelika Andersson. Und als sie das selbst alles hört, da wird ihr klar, was der entscheidende Unterschied zwischen Jonna Öberg und Angelika Andersson ist: »Sie ist gesprungen. Obwohl ich glaube, dass …«
Dass es etwas Besseres gab.
Dass sich der Versuch lohnt.
Sie hat gehofft, und mein Gott, das war es doch, was sie gerettet hat! Das naive, anstrengende Geplapper in ihrem Innern, das sie dazu gebracht hat, immer wieder anzuklopfen und es wieder und wieder zu versuchen, das sie sogar dazu gebracht hat, bei ihrer Großmutter anzurufen. Diese Stimme in ihrem Innern, die niemals klein beigeben will, nie ein Opfer sein und sich hinlegen und aufgeben will – sie ist der Grund, weshalb sie heute Abend hier ist.
Irre.
Nach dieser Erkenntnis kommt es Jonna so vor, als würde sie all das Pechschwarze, das in ihrer Brust ist, ausspucken, sie hört sich selbst von den letzten Tagen erzählen, von den SMS und dem Überfall auf Minken, von dem Weihnachtsabend bei Alex und von Elina, die aus Liebe zu ihrem Bruder so lange auf ihren Papa gewartet hat, bis es nicht mehr ging. Wort für Wort lässt sie die ganze Scheiße raus, und Sandra sitzt derweil neben ihr auf dem Boden und hört ganz nüchtern zu, sie wirkt weder erschrocken noch schockiert oder bestürzt.
»Das muss alles sehr stressig für dich gewesen sein.«
Sie ist ganz ruhig. Schweigend nimmt sie Jonnas kalte Hand in ihre warme, sagt, dass es gut war, dass sie das alles erzählt hat, und dass sie sich überhaupt keine Sorgen um Elina machen müsse.
Nicht? Jonna wirft ihr einen Blick zu. Was heißt das? Weiß sie, dass Elina lebt?
»Und Alex kennen wir schließlich auch sehr gut. Es gibt eine Lösung, Jonna. Dich kennen wir zwar noch nicht so gut, aber es macht den Eindruck, dass du ein sehr warmherziges und kluges Mädchen bist.«
Schweigen. Langes Schweigen.
»Glaub mir, alles wird gut.«
Sie beharrt darauf, auch jetzt noch, nachdem Jonna alles rausgelassen hat.
Aber wie soll eine Lösung aussehen? Was geschieht jetzt? Jonna sieht Sandra schüchtern an und beißt sich auf die Oberlippe, sie wagt nicht zu fragen und steht vom Boden auf.
Sandra tut es ihr nach und sagt: »Alex kann noch eine Weile schlafen, solange wir geöffnet haben und die anderen Mädchen hier sind. Dann wecken wir sie und suchen gemeinsam eine Lösung, die für euch beide gut ist. Mach dir keine Sorgen, Jonna.«
Aha? Der Boden schwankt ein wenig und Jonnas Knie zittern, die Augen brennen, und die Brust ist wie ein schlapper Luftballon nach allem, was sie rausgelassen hat, nach allem, was sie gesagt hat, und nach all den Tränen in dieser kleinen Küche hier. Kann sie wirklich darauf vertrauen, dass es jetzt besser wird?
Sie wirft das nasse Küchenpapier in den Müll und holt vorsichtig Luft. Vielleicht. Ein Teil der bleiernen Schwere ist aus ihrem Inneren verschwunden. Wirklich. Es fällt ihr leichter zu atmen.
*
Warmherzig und klug. Das hat sie gesagt!
Warmherzig und klug.
Vielleicht hat sich zu Hause KEIN STÜCK geändert.
Ich würde auf dem Ullvi weiterhin das UFO sein. Aber vielleicht hat diese Woche mich verändert?
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