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Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4

Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4

Titel: Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
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prickelte auf Kates Zunge. Das ungewohnte Getränk löste ihre innere Erstarrung. Sie prostete ihren beiden Begleitern zu und musterte mehr oder weniger unauffällig die übrigen Passagiere, die allmählich eintrafen.
    Die Französinnen waren von den englischen Ladys leicht zu unterscheiden. Obwohl Kate selbst sich keine exklusive Kleidung leisten konnte, war sie doch über die neuesten Moden aus Paris mehr oder weniger gut informiert. Oft genug musste sie als Dampfkutter-Pilotin gutbetuchte Fluggäste aus den Luxushotels von London abholen. Daher erkannte sie erstklassig gefertigte Garderobe, wenn sie diese erblickte.
    Die Engländerinnen bemühten sich wacker, mit der Pariser Eleganz Schritt zu halten, aber sie versagten dabei offenbar. Die französischen Passagierinnen trugen jedenfalls ihre in den Modefarben von 1851 gehaltenen langen Seidenschals in lindgrün und scharlachrot mit lässiger Eleganz. Und die weit ausgeschnittenen Kleider waren an den Säumen mit Brüsseler Spitze verziert, was einen sehr verspielten Eindruck machte.
    Im Vergleich zu diesen Grazien kam Kate sich vor wie ein Bauerntrampel. Daran änderte auch die Wirkung des Alkohols nichts, der ihr allmählich zu Kopf stieg. Die Männerkleidung war traditionell weit weniger ins Auge fallend wie die weibliche Mode. Doch auch bei den mitreisenden Gentlemen konnte Kate eindeutig zwischen Engländern und Franzosen unterscheiden.
    Die meisten Söhne der rauen Inseln waren ähnlich einfallslos gekleidet wie dieser arme Tropf David Benson, nämlich in einen dunklen Anzug oder in einen Cutaway, also einen Gehrock mit vorn abgeschnittenen Schößen. Auf den Köpfen trugen sie Zylinderhüte oder Melonen. Eine Ausnahme bildeten lediglich zwei junge Dandys, die in eierschalenfarbenen Anzügen mit grünen Gamaschen und breitkrempigen Strohhüten mit burgunderrot gefärbten Bändern für Aufsehen sorgten.
    Die Franzosen waren im Vergleich zu den Engländern deutlich lässiger gekleidet. Sie setzten vor allem mit ihren Westen farbige Akzente. Viele von ihnen trugen schmal rasierte Schnurrbärte, während die Engländer lange Backenbärte oder zumindest längere Koteletten bevorzugten.
    Ein Franzose fiel Kate besonders ins Auge. Er war groß und athletisch. In seinen bernsteinfarbenen Augen bemerkte sie ein Feuer, das auf schwindelerregend tiefe seelische Abgründe schließen ließ. Dieser Mann war gewiss kein Heiliger. Kate hatte in der Schule gelernt, dass die meisten Franzosen Katholiken waren. Nun, wenn dieser Gentleman sonntags zur Beichte ging, dann musste er dem Priester gewiss sehr viel zu erzählen haben. Und zwar jedes Mal …
    Kate schüttelte sich unwillkürlich, als ob sie eine unerwünschte Vision abschütteln müsste. Dieser Kerl, den sie für einen Franzosen hielt, sah wirklich unverschämt gut aus. Er trug einen taubengrauen Anzug, dazu eine honigfarbene Weste und ein blutrotes Halstuch, das ihm eine Aura von Gefährlichkeit verlieh. Sein blauschwarzes Haar war lockig und für englische Verhältnisse ziemlich lang.
    Kate begriff, dass sie ihn förmlich anstarrte.
    Sie errötete, als er ihren Blick erwiderte, ironisch grinste und seinen Hut grüßend einen Inch weit hob. Zum Glück stand er zu weit entfernt von ihr, um sie anzusprechen. Kate befürchtete schon, dass er zu ihr herüber kommen würde. Aber dann ertönte die Calliope, die Dampfpfeife des Luftschiffs.
    Das Ablegemanöver wurde eingeleitet. Und dieses Schauspiel zog ausnahmslos alle Passagiere an Bord in seinen Bann. Die Matrosen, die eine etwas hellere Uniform trugen als ihre Kollegen von der Royal Navy, holten die Ankerleinen ein. Der Kapitän auf der Kommandobrücke war vom Passagierdeck aus nicht zu sehen. Aber man hörte deutlich seine tiefe Stimme, die von einem Megaphon noch verstärkt wurde.
    „Klar bei Backbord- und Steuerbord-Seitenrudern. Halbe Dampfkraft voraus. Mr Burroughs, klar bei Höhenmesser!“
    Während die Dampfkutter mit eher eckigen, ruckartigen und abrupten Bewegungen flogen, glitt das riesige Luftschiff geschmeidig und fließend immer höher und höher. Bald hatte es seine Reiseflughöhe erreicht.
    Kate blickte durch die Panoramascheiben staunend nach draußen, wo ihre Heimatstadt London immer kleiner und kleiner wurde. Verärgert registrierte sie aus den Augenwinkeln, dass die meisten Passagiere das Wunder dieses perfekten Starts mit arrogantem Desinteresse straften. Diese Snobs flogen vermutlich so oft, dass so ein Erlebnis für sie öde und eintönig war.

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