Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4
heute.“
Li Fang bedankte sich mit einer ehrerbietenden Verneigung, einem sogenannten Kotau. Dazu warf er sich auf den Boden und berührte diesen mehrmals mit seiner Stirn. „Ich wünsche der sehr ehrenwerten Pilotin eine gute Reise und eine glückliche Heimkehr.“
Kate verabschiedete sich herzlich von ihrem Heizer, nachdem sie den Drehflügler in der Nähe ihrer Wohnung zur Landung gebracht hatte. Und sie konnte es sich auch nicht verkneifen, zärtlich über den eisernen Rumpf ihres Dampfkutters zu streichen. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie seit Jahren jeden Tag mit ihrer Flugmaschine verbracht hatte. Es kam ihr beinahe wie Untreue vor, dass sie schon bald am Steuerhebel eines französischen Dampfkutters stehen würde.
Untreue.
Kate verachtete sich selbst dafür, dass sie diesen Gedanken weitersponn. Aber James war nun einmal ein sehr attraktiver Gentleman, dem jede junge Lady im weiten Umkreis schöne Augen machte. Was für eine Garantie gab es dafür, dass er während seiner Reise nicht einer solchen Verlockung erliegen würde?
„Bei dir ist wohl ein Zahnrad locker!“, sagte Kate laut zu sich selbst, während sie die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufstürmte. Sie warf wahllos Unterröcke, Strümpfe, Leibwäsche, ein Reserve-Korsett und andere Kleidungsstücke in die von ihrem Vater geerbte Reisetasche.
Kate hoffe sehr, dass die Reise nach Paris sie von ihren düsteren Gedanken abbringen würde.
Kate war schon oft auf dem Victoria Flugfeld gewesen. Doch bisher hatte sie sich immer nur dort aufgehalten, um ankommende London-Besucher mit ihrem Drehflügler in die City zu fliegen. Das Areal mit den großen Luftschiff-Hangars und den weitläufigen Wiesen befand sich nämlich mehrere Meilen außerhalb der Londoner Stadtgrenze.
Kate hatte sich heute von einem befreundeten Dampfkutter-Piloten dorthin fliegen lassen. Es wäre ihr niemals in den Sinn gekommen, eine Pferdedroschke zu nehmen. Abgesehen davon hätte sich wohl jeder Londoner Droschkenkutscher geweigert, die als Tinker-Kate bekannte Frauensperson zu befördern. Bei den Männern auf den Kutschböcken galt Kate als eine rabiate Furie, mit der nicht gut Kirschen essen war.
Ihren eigenen Drehflügler konnte Kate natürlich nicht verwenden, um zum Victoria Flugfeld zu gelangen. Wer hätte denn die Maschine zurückfliegen sollen? Und eine Unterstellmöglichkeit für die kleinen wendigen Flugapparate gab es leider nicht. Die geräumigen Hangars waren den Luftschiffen vorbehalten, die in alle Ecken des britischen Weltreichs und auch ins Ausland starteten.
Da Kate sich Richtung Frankreich aufmachte, hatte Inspektor Williams für sie einen Reisepass und ein Visum besorgt. Kate hatte zuvor keinen Pass besessen, da sie England noch niemals zuvor verlassen hatte. Außerdem waren Pässe sehr teuer, aber in ihrem Fall zahlte ja die Staatskasse.
Lächelnd stellte Kate fest, dass der Kriminalbeamte in ihr Dokument unter der Rubrik „Berufsbezeichnung“ nur einen dicken Federstrich hatte eintragen lassen. Natürlich, sie sollte kein Aufsehen erregen. Es war für eine junge Lady unüblich, überhaupt einem eigenen Broterwerb nachzugehen. Und wenn ihr Reisepass sie als Dampfkutter-Pilotin ausgewiesen hätte, wäre sie den französischen Behörden dadurch sofort verdächtig erschienen.
Es war für Kate schon ungewohnt genug, dass sie nicht ihre alte speckige Lederschürze trug. Sie hatte sich für die Reise in ihr bestes Kleid geworfen, das sie von dem Honorar für ihre Mithilfe im Vampirfall erstanden hatte.
Das Kleid war in altrosa gehalten und mit hell-violetten Posamenten versehen. Statt ihrer üblichen Lederhandschuhe hatte Kate unterarmlange Stoffhandschuhe gewählt, die im Farbton zu ihrem Kleid passten. Ein keckes kleines Strohhütchen, das mit einigen künstlichen Kirschen verziert war, vervollständigte ihre Aufmachung. Und da der Herbst auf dem Kontinent kühler und unangenehmer sein sollte als auf den britischen Inseln, hatte sie außerdem eine sandfarbene Pelerine übergeworfen.
Obwohl Kate zum ersten Mal in ihrem Leben eine Zollkontrolle über sich ergehen lassen musste, verlief diese ohne Zwischenfälle. Die Zöllner schauten selbstverständlich nicht in ihre Reisetasche, das wäre unschicklich gewesen. Und weibliche Beamte gab es nicht, ebensowenig wie in allen anderen Behörden. Kate dachte bei sich, dass sie in ihrem Gepäck problemlos mehrere Revolver und außerdem noch eine Bombe an Bord des Luftschiffs hätte schmuggeln können. Aber
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