Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4
allmählich grün im Gesicht wurden. Das Dessert hielten sie noch durch. Kate hatte noch niemals etwas so Köstliches gegessen wie diese Crème brûlée. Wenn die Franzosen sich von solchen Süßspeisen ernährten, dann konnten sie ja die Engländer mit ihrem Plumpudding nur verachten. Das war jedenfalls Kate Meinung. Sie hätte gerne noch eine Portion genommen, aber sie wusste nicht, wie sie das anstellen sollte.
Fletcher und Benson konnte sie jedenfalls nicht fragen. Ihre beiden Reisegefährten waren davongestürzt, wie einige andere Passagiere auch. Kate konnte sich vorstellen, dass die Waschräume nun überfüllt waren. Aber sie fühlte sich nach wie vor gut.
Da Kate nun kein weiteres Dessert ergattern konnte und auf Obst und Käse keine Lust hatte, tupfte sie sich die Lippen mit der schweren Stoffserviette ab und stand auf. Einige Gentlemen hatten sich bereits erhoben und sich in den Rauchsalon zurückgezogen, um das Dinner mit einer Zigarre abzuschließen. Die Damen standen oder saßen in Grüppchen plaudernd zusammen. Aber Kate hatte keine Lust, mit diesen hochnäsigen Gänsen Bekanntschaft zu schließen, was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte. Jedenfalls zeigten die eleganten Ladys ihr die kalte Schulter.
Kate nahm ihre Pelerine und ging hinaus auf die Aussichtsplattform, die wie bei einem Seeschiff auch Promenadendeck genannt wurde. Die Dampfmaschine des Luftschiffs verursachte weniger Lärm als die ihres eigenen Drehflüglers, was aber einfach an der Größe des Passagierfliegers lag; Kate stand am Bug, und der lärmende Dampfantrieb war am Heck angebracht.
Der scharfe Seewind machte Kate nichts aus. Sie schaute hinunter auf die graublauen Wassermassen des Ärmelkanals, über dem die Sonne unterging. Aufgrund des stürmischen Wetters zogen die Wolkengebilde sehr schnell vorbei. Kate kam sich in diesem Moment sehr klein vor. Und doch war es ein erhebender Gedanke, dass Menschen sich mit Hilfe von Dampfkraft so hoch in die Lüfte erhoben, wie es sonst nur Vögel konnten. Kate schloss die Augen und atmete tief durch. Solche gute Luft suchte man in London vergebens. Es war ein sehr schöner und idyllischer Moment, den sie jetzt erlebte. Trotz der Sturmböen fühlte sie sich sehr wohl. Aber Kate fand es bedauerlich, dass sie ganz allein war. Wie schön wäre es jetzt gewesen, James an ihrer Seite zu haben.
„Es gibt nur wenige Damen, die den Stürmen trotzen.“
Kate zuckte zusammen. Der Wind heulte, brachte die Stahlseile der Kabinenaufhängung zum Vibrieren und brach sich schaurig jammernd an den eisernen Aufbauten des Luftschiffs. Daher hatte sie die sich nähernden Schritte nicht gehört. Oder trug der Sprecher Gummisohlen, weil er sich gerne lautlos an Menschen heranschlich?
Kate wusste es nicht. Sie öffnete die Augen und erblickte nun den Franzosen mit den sündhaften Bernsteinaugen. Jedenfalls vermutete sie, dass er kein Engländer war. Und wies sein fließendes glasklares Englisch nicht auch einen winzigen französischen Akzent auf?
Kate reckte trotzig das Kinn nach oben. Sie wollte diesem Kerl gleich deutlich machen, dass sie kein unerfahrener Backfisch war, der sofort auf jeden x-beliebigen Abenteurer und Wüstling hereinfällt. Er sollte nicht glauben, bei ihr leichtes Spiel zu haben.
„Sie sprechen unsere Sprache recht ordentlich, Sir. Trotzdem scheinen Sie mit den britischen Sitten und Gebräuchen nicht wirklich vertraut zu sein. Ich kann mich jedenfalls nicht entsinnen, dass wir einander vorgestellt wurden.“
Der Mann lachte frech, was seinen Blick nur noch anziehender erscheinen ließ. Obwohl Kate sich diese Tatsache momentan nicht eingestehen wollte.
„Touché, Miss! Sie haben mich wirklich auf dem falschen Fuß erwischt. Aber Sie werden zugeben, dass momentan niemand vorhanden ist, der mich Ihnen vorstellen könnte. Ihr Verlobter und Ihr älterer Verwandter sind offenbar etwas indisponiert, was an der Luftkrankheit liegen dürfte.“
Kates Verlobter?
Erst nach einigen langen Sekunden begriff Kate, dass der Fremde nicht James, sondern David Benson meinte. Glaubte er ernsthaft, sie wäre mit diesem Blässling liiert? Der Eindruck sollte nicht entstehen!
„Ja, die Crème brûlée hat meinen beiden Begleitern den Rest gegeben. – Aber ich muss Sie korrigieren, Sir. Mr David Benson ist nicht mein Verlobter. Er ist ein K…, äh, er ist mein Cousin. Und der reifere Gentleman ist mein Onkel, Mr Phineas Fletcher.“
Kate hatte gerade noch die Kurve gekriegt. Das Lügen fiel ihr
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