Hohe Wasser

Häusern röchelten und fauchten Bügeleisen, in Räumen, die sie Arbeitszimmer nannten. Diese Räume waren im Keller, auf dem noch nicht ausgebauten Dachboden, im vorsorglich eingeplanten zweiten Kinderzimmer oder im Gästezimmer für alle Fälle, das bald zur Abstellkammer wurde oder zum Arbeitszimmer oder beides. Hier ließ man sie wirtschaften. Hier waren sie unbeobachtet. Die Daheimgebliebenen hatten ihr Rückzugsgebiet gut getarnt. Bügelbrett und Wäschekorb. Radio und Fernseher. Steppboard, Gymnastikband, Hometrainer und Hanteln. Da und dort auch ein Schreibtisch, um mit dem Haushaltsgeld zu jonglieren und um das Horoskop zu erstellen. Die Zukunft bot wenig Alternativen. Rechtzeitig den Absprung schaffen oder überflüssig werden.
     
    Vom Fenster ihres Arbeitszimmers sah sie nach Westen. Der Blick führte von der Terrasse des Nachbarhauses über zwei Kukuruzfelder, zur nächsten Reihenhaussiedlung und zu einem kleinen Flecken Laubwald dahinter. Dazwischen schlängelte sich der Bach neben dem Gleis der Bahn bis zum Horizont. Mit der Bahn kam sie nicht weit. Eine Lokalbahn, einspurig, mit einem Zugbegleiter, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, jeden seiner Fahrgäste im Auge zu behalten.
     
    Der Teufel hatte keinen Bocksfuß. Er war ein Teufelskerl. Der Teufelskerl hatte Eisen an den Absätzen, um sich auf dem Weg nach oben nicht zu viele Schuhe abzutreten. Aber auch mit hartem Auftritt kam er nicht so schnell voran. Dafür musste es daheim umso schneller gehen. TAK, TAK, TAK. Von der Garage ins Stiegenhaus. TAK, TAK, TAK. Die Stufen herauf. Den Gang entlang. Halli, hallo, ist niemand zu Hause? TAK. TAK. TAK. Hallo Liebling. Halali. Blattschuß.
     
    Mit dem Vollmond auf der Widder-Waage-Achse im Quadrat zu Saturn und Trigon zu Pluto gibt der Mond im Widder den Auftakt für eine sehr dynamische und energiegeladene Woche. Viele Dinge befinden sich im Umschwung. Saturn haftet noch an alten, längst vergangenen Zeiten.
    Uranus zeigt sich von seiner ungestümen Seite. Neue, noch unausgegorene Ideen stehen im Mittelpunkt. Jupiter rät, mit den gegebenen Mitteln umsichtig zu agieren.
     
    Das Kind verlangte alle zwei Stunden nach der Brust. Es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder ohne Bauch unter dem Mantel unterwegs zu sein. Allzu lange wollte sie nicht fortbleiben. Sie traute der Schwiegermutter nicht und ihrem Hang zur Flaschennahrung. Ein paar Minuten andere Luft schnappen wollte sie. Ein paar Minuten allein sein. Es würde noch Zeit brauchen, bis auch der schwerfällige Watschelgang wieder verschwunden war. Im Kaffeehaus stapfte sie zuerst zum Zeitungstisch. Dann ließ sie sich auf die Polsterbank in der Fensternische fallen. Sie hatte vergessen, sich umzuziehen. Sie saß im Jogginganzug da und mit unfrisiertem Haar. Im Kaffeehaus stank es nach kaltem Rauch und Bodenwachs. Das Zischen der Espressomaschine war aufdringlich, das Zeitungsgeraschel lächerlich. In allen Blättern war dasselbe zu lesen. Sie hatte nichts versäumt und sie versäumte nichts. Zwischen den Beinen fühlte sie sich wund, die Brüste spannten und tropften. Es zog sie heim zu ihrem Kind und seiner Stille.
    Auch der zweite Ausgang im neuen Leben endete mit einem Debakel. Sie war mit dem Kinderwagen unterwegs. Das Kind in Baumwolle, Wolle und Schaffell gehüllt, bahnte sie sich ihren Weg. Gehsteigkanten hinunter und hinauf, Schneebrocken ausgewichen, der Bäcker wegen der Stufen unerreichbar. Im Supermarkt blieben sie im Drehkreuz stecken. Sie zerrte den Kinderwagen vor und zurück, verkeilte ihn dadurch noch mehr mit den Chromstangen. Das Kind wurde wach und schrie. Jemand holte den Filialleiter. Sie zerrte am Kinderwagen. Der Filialleiter zog und schob am Drehkreuz. Das Kind brüllte. Auf schnellstem Weg lief sie nach Hause. Sie hatte die Nerven verloren und die Übersicht. Du hast Recht. Ich bleibe daheim.
     
    Ein Haus auf dem Lande ist heutzutage schnell hingestellt. Der Weichselbaum trägt nach kurzer Zeit. Die Forsythien verlangen nach Zuschnitt. Der Salbei ist frostresistent, aber der Lavendel nicht. Das Immergrün ist ein idealer Bodendecker. Die Rosen blühen von April bis Oktober. Den Rasen plagen Wühlmäuse. Kinder werden heutzutage schnell selbstständig. Sie tun sich leicht mit dem Loslassen. Sie tun sich leicht mit dem Weggehen. Ihr Gewinn an neuen Erfahrungen ist in jedem Fall höher als der – stundenweise – Verlust der Mutter.
    Mistelzweige über der Haustür und später der Osterstrauch mit ausgeblasenen Eiern, ein