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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
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ist fast schade, daß du nicht lange genug leben wirst, um zu einem gleichwertigen Gegner zu werden.«
Andrejs Blick klärte sich jetzt rasch. Er konnte regelrecht spüren, wie die schrecklichen Verletzungen heilten, die die Flammen seinem Körper zugefügt hatten, aber er fühlte auch, wie seine Kräfte immer mehr dahin-schmolzen. Die unheimliche Macht, die es ihm nicht erlaubte, hier und heute zu sterben, verlangte ihren Tribut. Er würde die Besinnung verlieren, in wenigen Augenblicken, so oder so.
Die Schwertspitze des Ritters berührte seine Kehle und wanderte zu seinem Herzen hinab, aber er stieß noch nicht zu, sondern sah Andrej aus eng zusammengepreßten Augen an und legte den Kopf auf die Seite.
»Du hast noch nie dem Tod ins Auge geblickt, wie?« Fragte er. »Es überrascht dich, was mit dir geschieht, und es macht dir ein bißchen angst.« Er nickte, als hätte Andrej tatsächlich darauf geantwortet. »Es lohnt sich kaum, einen Grünschnabel wie dich zu töten.« Er lachte. »Doch leider lohnt es sich noch viel weniger, dich am Leben zu lassen.«
Er ergriff das anderthalb Meter lange Schwert mit beiden Händen, spreizte die Beine und schwang seine Waffe hoch über den Kopf … und plötzlich stürzte aus der Dunkelheit eine Gestalt heran und riß ihn von den Füßen.
Andrej hatte nicht einmal mehr die Kraft, den Kopf zu drehen, um den Kampf zu verfolgen. Er hörte den Ritter schreien - der Laut klang eher überrascht und zornig als erschrocken -, dann taumelte eine zweite Gestalt mit versengten Kleidern und rußgeschwärztem Gesicht an ihm vorbei. Er glaubte, Sergé zu erkennen, war sich dessen aber nicht sicher.
Ein Schwert blitzte auf. Ein dumpfer, knirschender Laut, wie von Stahl, der sich durch Metall und Fleisch bohrt. Es spielte keine Rolle. Nichts spielte mehr eine Rolle.
Andrej verlor das Bewußtsein.

6
    Diesmal mußte er ziemlich lange ohne Bewußtsein gewesen sein. Noch bevor er die Augen aufschlug, spürte er, daß eine geraume Zeit vergangen war … Stunden. Plötzlich war er sehr hungrig und verspürte quälenden Durst.
    Er öffnete die Augen nur einen Spalt breit, konnte aber nicht mehr erkennen als einen dunklen, sternenklaren Himmel und die Silhouetten dürrer, blattloser Äste. Irgendwo neben ihm murmelte eine unverständliche Stimme etwas vor sich hin.
    Andrej lauschte einen Moment konzentriert in sich hinein. Er hatte keine Schmerzen mehr, und als er vorsichtig zuerst seine Bein- und dann seine Armmuskeln anspannte, stellte er erleichtert fest, daß sie ihm gehorchten. Er war nicht gefesselt. Das - und die Erkenntnis, daß er diesen Gedanken überhaupt denken konnte und somit noch am Leben war - ließ ihn zumindest vermuten, daß er kein Gefangener von Domenicus und seinen drei goldenen Rittern war.
    Andrej drehte vorsichtig den Kopf und erkannte zwei schattenhafte Gestalten, die neben einem fast heruntergebrannten Lagerfeuer saßen. Er konnte ihre Gesichter nicht erkennen. Einige Sekunden lang versuchte er vergeblich, dem gemurmelten Gespräch zu lauschen, dann gab er es auf und drehte den Kopf auf die andere Seite.
    Frederic lag zwei Meter neben ihm auf dem Rücken und schlief, hatte vielleicht ebenfalls das Bewußtsein verloren. Aber er lebte. Andrej konnte sehen, daß sich seine Brust regelmäßig hob und senkte.
    Er richtete sich auf, kroch auf Händen und Knien zu Frederic hin und schlug die angesengte Decke zurück, die jemand über den Jungen gebreitet hatte. Im ersten Moment erschrak er. Frederics Kleider waren verkohlt. Sein Haar war bis auf die Kopfhaut abgesengt, seine Augenbrauen und Wimpern verschwunden. Aber sein Gesicht und der Teil seiner Brust, den Andrej unter dem zerfetzten Wams erkennen konnte, schienen unversehrt zu sein.
    Er streckte die Hand aus, berührte zögernd Frederics Schläfe und spürte, wie rasend schnell der Puls des Jungen ging. Seine Stirn glühte.
»Mach dir keine Sorgen, Delãny«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Er hat Fieber, aber das ist auch schon alles.«
Andrej blickte auf und sah in ein vom Feuer verheertes Gesicht. Sergés linkes Auge war zugeschwollen, das Fleisch darunter bis zur Kinnspitze rot und nässend. Seine Lippen waren so aufgequollen, daß er Mühe hatte, verständlich zu sprechen.
»Der Junge muß den besten Schutzengel diesseits des Schwarzen Meeres haben«, fuhr Sergé fort. »Genau wie du übrigens.«
In seiner Stimme lag etwas, das Andrej alarmierte. Sergés verbliebenes Auge glitzerte vor unübersehbarem Mißtrauen. Seine

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