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Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1

Titel: Hohlbein Wolfgang - Die Chronik der Unsterblichen 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Abgrund
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allen Grund gehabt hatte, diesen Mann in der grauen Priesterkutte zu hassen. Dieser verfluchte Dummschwätzer war als Mönch ins Dorf gekommen, als Andrej vielleicht zehn Jahre alt gewesen war, und hatte später die Dorfbewohner solange gegen seine Familie und vor allem gegen Michail Nadasdy aufgehetzt, bis sie allesamt aus dem Dorf gejagt worden waren. Bei ihm hatten sich die Schlächter nicht darauf beschränkt, ihm die Kehle durchzuschneiden. Seine Augen waren ausgestochen; sein Körper wies zahlreiche Schnittwunden auf, die nicht dem Zweck gedient hatten, zu töten, sondern nur dem, Schmerz zuzufügen, und selbst am Ende waren seine Peiniger nicht so barmherzig gewesen, ihn mit einem schnellen Schnitt von seiner Qual zu erlösen. Die klaffende Wunde in seiner Kehle hatte nicht geblutet. Er war schon tot gewesen, als man sie ihm zugefügt hatte. Statt dessen hatte man ihn mit Händen und Füßen an den Boden genagelt, so daß er langsam verblutet war.
»Großer Gott!« flüsterte Delãny. »Was ist hier geschehen?«
Er drehte sich einmal um die eigene Achse und ließ seinen Blick in die Runde schweifen; das Töten und Morden, das hier stattgefunden hatte, erschreckte ihn tief, aber noch schlimmer empfand er die Ungewißheit, die berechtigte, fast panische Sorge um Marius, seinen Sohn. Er hatte ihn hier, im Schutz des Dorfes, zurückgelassen, in der sicheren Erwartung, es könne ihm im Borsã-Tal nichts Ernsthaftes zustoßen: Das war offensichtlich ein kapitaler Fehler gewesen. Er mußte ihn finden; jetzt und sofort.
Wie zur Antwort hörte er wieder diesen sonderbaren Laut - und diesmal war er sicher, daß es sich um ein Stöhnen handelte! Es kam von oben, vom Ende der Treppe, oder von den wenigen Gemächern, die sich daran anschlössen.
Delãny fuhr herum, stürmte die Treppe hinauf und zog im Laufen sein Schwert. Eine der Türen war nur leicht angelehnt, und die Dämmerung dahinter schien noch blasser als das schwache Licht in der Halle. Er sprengte die Tür mit der Schulter auf, stürmte hindurch - und prallte entsetzt zurück.
Der Raum war leer - bis auf eine geschnitzte Truhe und das übergroße Bett, in dem zu seiner Zeit der Dorfschulze geschlafen hatte. Jetzt saß eine gebeugte, langhaarige Gestalt mit schwarzem Bart und rotfleckigem Hemd darin, halb aufgerichtet und mit ausgebreiteten Armen, zugleich aber leicht nach vorne gesunken. Sie konnte nicht ganz zusammensinken, denn jemand hatte ihre Hände in einer perfiden Kreuzigungshaltung an das Kopfteil des Bettes genagelt. Der abgebrochene Schaft eines Speeres ragte aus ihrer Seite.
Und doch war es nicht der Anblick dieser neuerlichen Grausamkeit, die Andrej für eine Sekunde regelrecht erstarren ließ.
Es war das Gesicht. Unter all dem Blut und Dreck, unter dem dicht wuchernden Bart und dem tief eingegrabenen, unsäglichen Schmerz verbargen sich Züge, die er … kannte.
Er war älter geworden, natürlich, aber nicht so alt, wie er hätte sein müssen. Falten und Runzeln bedeckten sein Gesicht, und vielleicht war auch die eine oder andere Narbe neu hinzugekommen. Aber es war, unmöglich oder nicht, ganz eindeutig …
»Barak?« hauchte Andrej fassungslos. Schon der bloße Klang dieses Namens schien der pure Hohn. Und doch öffnete die sterbende Gestalt beim Klang ihres vertrauten Namens das eine verbliebene Auge, das ihr nicht ausgestochen worden war, und sah zu ihm hin.
»Andrej?«
Es konnte nicht sein, daß er ihn nur am Klang seiner Stimme wiedererkannt hatte, nicht nach so langer Zeit!
Andrej näherte sich langsam dem Bett. Eisige Schauer liefen ihm über den Rücken, als er sah, wie gräßlich sie Barak zugerichtet hatten. Er hatte nicht gewußt, daß ein menschlicher Körper imstande war, solche Qual auszuhalten.
Er trat an das Bett heran und wollte das Schwert zurückstecken, aber Barak schüttelte den Kopf - es schien Andrej das einzige Körperteil, das er überhaupt noch bewegen konnte - und er behielt das Sarazenenschwert in der Hand.
»Endlich«, stöhnte Barak. »Es ist gut… daß du es bist, der gekommen ist… ich habe solange … gewartet.«
»Gewartet?« wiederholte Andrej verwirrt. »Aber …«
»Ich habe gehofft, daß jemand … zurückkehren würde«, flüsterte Barak. »Aber es hat … so lange … gedauert. Erlöse … mich.«
Und endlich verstand Andrej. Ihm war jetzt klar, wieso Barak ihn sofort erkannt hatte: Er mußte darum gefleht haben, daß jemand kam, um ihn zu erlösen. Und er mußte gewußt haben, daß es nur jemand aus

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