Hohle Köpfe
Anspruch genommen. Er beschäftigte Vorkoster, aber das war keineswegs unüblich. Außerdem pflegte er auch dabei einen eigenen, ganz persönlichen Stil: Seine Vorkoster wurden gut bezahlt und waren ausnahmslos die Söhne von Chefköchen. Doch der größte Schutz des Patriziers bestand darin, daß er allen Beteiligten lebend mehr nützte als tot. Die großen, mächtigen Gilden mochten ihn nicht, aber die Vorstellung, daß ein anderer vom Rechteckigen Büro aus über die Stadt regierte, gefiel ihnen noch viel weniger. Lord Vetinari repräsentierte Stabilität, eine kalte, klinische Art von Stabilität. Zumindest ein Teil von Vetinaris Genie bestand aus der Erkenntnis, daß die Bürger sich nichts mehr wünschen als Stabilität.
Er hatte einmal folgende kluge Worte an Mumm gerichtet: »Die Leute glauben, daß sie eine gute Regierung und Gerechtigkeit für alle wollen, Mumm. Aber was wünschen sie sich
wirklich,
tief in ihrem Herzen? Sie möchten, daß alles normal bleibt und der morgige Tag dem heutigen gleicht.«
Mumm drehte sich um. »Was soll ich jetzt unternehmen, Fred?«
»Keine Ahnung, Herr Kommandeur.«
Mumm nahm auf Lord Vetinaris Stuhl Platz. »Erinnerst du dich an den letzten Patrizier?«
»Meinst du den alten Lord Schnappüber? Ich entsinne mich an seinen Vorgänger, den mörderischen Lord Winter. O ja. Üble Burschen.
Dieser
Patrizier kicherte wenigstens nicht und trug auch keine Kleider.«
Er spricht bereits in der Vergangenheitsform von ihm, dachte Mumm. So schnell geht das. Das Unterbewußtsein ist sich der neuen Situation bereits bewußt geworden.
»Unten ist es sehr still, Fred«, sagte er.
»Pläne zu schmieden, macht keine lauten Geräusche, Herr Kommandeur.«
»Vetinari ist noch nicht tot.«
»Ja, Herr Kommandeur. Aber er regiert auch nicht. Wer nimmt seinen Platz ein?«
Mumm hob und senkte die Schultern. »Niemand.«
»Mag sein, Herr Kommandeur. Andererseits… man kann nie wissen.«
Colon stand steif und gerade. Sein Blick reichte in die Ferne, und sein Tonfall blieb neutral, verriet keine Empfindungen.
Mumm erkannte die Haltung. So hatte er ebenfalls gestanden, wenn es notwendig war. »Was meinst du damit, Fred?«
»Oh, gar nichts, Herr Kommandeur. Nur eine Redewendung.«
Mumm lehnte sich zurück.
Heute morgen glaubte ich zu wissen, was mich an diesem Tag erwartet, dachte er. Ein Besuch bei den Wappenherolden. Dann ein Termin beim Patrizier. Nach dem Mittagessen wollte ich einige Berichte lesen, um anschließend zur Kröselstraße zu gehen und zu sehen, wie weit die Arbeiten am neuen Wachhaus vorangekommen sind. Und abends dann früh ins Bett. Doch was Fred jetzt andeutet…
»Hör mal, Fred, wenn es wirklich einen neuen Herrscher geben soll, komme ich nicht dafür in Frage.«
»Wer dann, Herr Kommandeur?« Colon sprach noch immer in dem vorsichtigen, neutralen Tonfall.
»Woher soll ich das wissen? Vielleicht…«
Vor Mumm öffnete sich ein mentales Loch und saugte seine Gedanken an. »Du meinst Hauptmann Karotte, habe ich recht?«
»Er wäre ein geeigneter Kandidat. Keine Gilde würde zulassen, daß das Oberhaupt einer anderen zum neuen Patrizier wird. Und Hauptmann Karotte… Alle mögen ihn. Außerdem heißt es, er sei der Thronerbe.«
»Dafür gibt es keine Beweise, Feldwebel.«
»Mir steht es nicht zu, darüber zu urteilen, Herr Kommandeur. Bin nur ein einfacher Wächter. Weiß gar nicht, was
Beweise
sind.« Colons Worte drückten einen Hauch Trotz aus. »Aber eins steht fest: Karotte hat ein Schwert und ein Muttermal in Form einer Krone und… Nun, alle wissen, daß er etwas Königliches hat. Er steckt voller Charisma.«
Mumm mißtraute dem Phänomen namens Charisma. »Es gibt keine Könige mehr, Fred.«
»Da hast du völlig recht, Herr Kommandeur. Übrigens ist Nobby wieder aufgetaucht.«
»Der Tag wird immer schlimmer, Fred.«
»Du wolltest mit ihm über all die Beerdigungen und so weiter reden…«
»Ich schätze, auch das gehört zur Pflicht. Na schön. Sag ihm, er soll zu mir kommen.«
Colon nickte und ging.
Keine Könige mehr. Mumm wußte nicht, warum ihn der Gedanke an die Monarchie so sehr in Wallung brachte. Immerhin waren viele Patrizier ebenso grausam gewesen wie die Könige. Aber sie… standen dabei gewissermaßen auf
gleicher Stufe.
Dem Kommandeur ging vor allem die Vorstellung gegen den Strich, daß Könige eine andere Menschenart darstellten, eine Art höhere Lebensform. Ausgestattet mit besonderer Magie. Es schien tatsächlich etwas Magisches
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