Hohle Köpfe
still wurde in der Taverne. »Jetzt brauchen wir nur noch das Eckstück mit einem bißchen Himmel und den Blättern. Dann ist das Bild komplett.«
»Es war für uns alle ein langer Tag, Herr Kommandeur«, sagte Karotte.
Mumm ließ die Schultern hängen. »Na schön. Morgen… Karotte, du überprüfst die Golems in der Stadt. Wenn sie irgend etwas aushecken, möchte ich darüber Bescheid wissen. Und du, Kleinpo… Du suchst
überall
im Haus des alten Priesters nach Arsen. Wenn ich doch nur glauben könnte, daß du etwas findest…«
Angua hatte sich bereit erklärt, Grinsi zu ihrem Quartier zu begleiten. Es erstaunte die Zwergin, daß die Männer dies zuließen. Immerhin bedeutete es, daß Angua später allein zurückkehren mußte.
»Hast du denn gar keine Angst?« fragte Grinsi, als sie durch den Nebel wanderten.
»Nein.«
»Aber es könnten doch überall Schurken und Halunken auf der Lauer liegen. Außerdem hast du gesagt, daß du in den Schatten wohnst.«
»Oh, ja. Nun, ich bin schon seit einer ganzen Weile nicht mehr belästigt worden.«
»Fürchtet man vielleicht deine Uniform?«
»Möglich«, räumte Angua ein.
»Vermutlich haben die Leute gelernt, Respekt davor zu haben.«
»Könnte sein.«
»Äh… entschuldige bitte, aber… du und Hauptmann Karotte…«
Angua wartete höflich.
»Seid ihr… äh…«
»Ja«, sagte Angua und gab dem Mitleid nach. »Wir sind
äh.
Trotzdem wohne ich in Frau Kuchens Pension, weil man in so einer Stadt seinen eigenen Platz braucht.« Und eine Hauswirtin, die besondere Bedürfnisse versteht, fügte sie in Gedanken hinzu. Zum Beispiel Türklinken, die auch für Pfoten geeignet waren, und ein offenes Fenster bei Vollmondnächten. »Man braucht einen Ort, wo man sich selbst entfalten kann. Außerdem riecht’s im Wachhaus nach alten Socken.«
»Ich wohne bei meinem Onkel Armwürger«, sagte Grinsi. »Dort ist es nicht sehr gemütlich. Sie reden fast dauernd über Bergwerksarbeit.«
»Und das gefällt dir nicht?«
»Ach, es geht ständig ›Ich grabe in der Grube, und ich zeche in der Zeche‹ und so«, erwiderte Grinsi in traurigem Singsang. »Anschließend wird über Gold gesprochen, was viel langweiliger ist, als die meisten Leute glauben.«
»Ich dachte, Zwerge
lieben
Gold«, sagte Angua.
»In den meisten Fällen geht es nur darum, die Tradition zu bewahren.«
»Bist du ganz sicher, daß du zum Volk der Zwerge gehörst? Entschuldige. War nur ein Scherz.«
»Bestimmt gibt es interessantere Dinge als Gold. Zum Beispiel Frisuren. Oder Kleidung. Leute.«
»Meine Güte. Meinst du etwa
Mädchendinge
?«
»Keine Ahnung«, entgegnete Grinsi. »Bisher habe ich keine Mädchendinge kennengelernt. Nur Zwergendinge.«
»So ähnlich ist es auch in der Wache«, sagte Angua. »Man kann jedes Geschlecht haben, vorausgesetzt, man verhält sich wie ein Mann. In der Stadtwache gibt es keine Männer und Frauen, nur Kumpel und Kollegen. Die besondere Sprache lernt man schnell. Im großen und ganzen geht es darum, wieviel Bier man am vergangenen Abend geschlürft hat, wie scharf die Currygerichte gewesen sind und wo man sich schließlich übergeben hat. Denk einfach wie ein Macho, dann hast du den Dreh bald raus. Außerdem mußt du im Wachhaus auf Witze mit… sexuellem Hintergrund gefaßt sein.«
Grinsi errötete.
»Obwohl… in letzter Zeit nur noch sehr selten«, sagte Angua.
»Wieso? Hast du dich beschwert?«
»Nein, es hat aufgehört, nachdem ich mich aktiv daran beteiligt habe«, erklärte Angua. »Und weißt du was? Die Männer lachten überhaupt nicht. Nicht einmal, als ich die Worte mit Gesten erläuterte. Ich halte das eigentlich für unfair. Die meisten Handbewegungen erschienen mir recht harmlos.«
»Es nützt alles nichts, ich muß ausziehen.« Grinsi seufzte. »Ich fühle mich… fehl am Platz.«
Angua sah auf die neben ihr gehende Zwergin hinab und erkannte die Symptome. Jeder brauchte einen Freiraum, so wie sie selbst, und manchmal existierte dieser Platz nur im Kopf. Seltsamerweise mochte sie Grinsi, vielleicht wegen ihrer Ernsthaftigkeit. Möglicherweise auch deshalb, weil sie außer Karotte die einzige Person war, die ihr gegenüber weder Furcht noch Unbehagen zeigte. Weil sie nicht
Bescheid
wußte. Angua wollte Grinsis Unwissenheit wie ein kostbares Gut bewahren, doch sie begriff auch, daß die Zwergin einen Wechsel in ihrem Leben nötig hatte.
»Wir sind nicht weit von der Ulmenstraße entfernt«, sagte sie. »Was hältst du von einem kurzen
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