Hohle Köpfe
Finsternis.
»Ich verabscheue die verdammten Golems. Klauen uns die Arbeitsplätze…«
»Wir haben doch gar keine Arbeit.«
»Na bitte.«
»Was gibt’s zu essen?«
»Schlamm und alte Stiefel. Ha-ha-
ha
-TSCHUH!«
»Jahrtausendhand und Krevetten, meine ich.«
»Bin ich froh, daß ich eine Stimme habe. Sonst könnte ich ja gar nicht sprechen.«
»Wird Zeit, daß du deine Ente fütterst.«
»Welche Ente?«
Im Bereich vom Fünf-und-Sieben-Hof glühte und brutzelte der Nebel. Flammen züngelten empor und schienen die dichten grauen Schwaden in Brand zu setzen. Zischendes flüssiges Eisen kühlte in den Gußformen. Hämmer pochten. Wer an diesem Ort arbeitete, richtete sich nicht nach der Uhr, sondern nach den Erfordernissen geschmolzenen Metalls. Es war schon nach Mitternacht, aber in Starkimarms Werkstatt – »Wir schmelzen und schmieden« – herrschte noch immer reger Betrieb.
Es gab viele Starkimarms in Ankh-Morpork – unter den Zwergen war dieser Name weit verbreitet. Gerade aus diesem Grund hatte Thomas Schmitt ihn gewählt. Sein Firmenschild zeigte einen finster dreinblickenden Zwerg mit einem Hammer in der Hand, doch das war allein ein Produkt der Phantasie des Schildmalers. Die Leute hielten Produkte, die »von Zwergen hergestellt« waren, für besser, und Thomas Schmitt erhob keine Einwände dagegen.
Das Komitee Gleiche Höhe Für Zwerge hatte protestiert, allerdings nicht besonders laut, denn die meisten Mitglieder des Komitees waren Menschen, da Zwerge zuviel zu tun hatten, um sich mit solchen Angelegenheiten zu befassen. 13 Außerdem basierte der Protest auf der Tatsache, daß Herr Starkimarm alias Schmitt zu groß war – was eindeutig eine Größendiskriminierung darstellte und somit nach den Regeln des Komitees verurteilt werden mußte.
Thomas ließ sich einen Bart wachsen, trug einen Eisenhelm, wenn er offizielle Personen in der Nähe wähnte, und erhöhte die Preise um zwanzig Prozent.
Die Fallhämmer pochten nacheinander, angetrieben von einer großen Ochsen-Tretmühle. Schwerter wurden geschmiedet und Rüstungsteile geformt. Funken stoben.
Starkimarm nahm den Helm ab (er hatte wieder Besuch von Komiteemitgliedern erhalten) und wischte Schweiß von der Innenseite.
»Dibbuk? Wo steckst du, verdammt?«
Das Gefühl gefüllten Raumes veranlaßte ihn, sich umzudrehen. Der Golem stand direkt hinter ihm, das Licht der Esse spiegelte sich auf seinem dunkelroten Ton wider.
»Ich habe dir doch mehrmals gesagt, daß du dich nicht so heranschleichen sollst«, rief Starkimarm, um den Lärm zu übertönen.
Der Golem hob seine Schiefertafel.
Ja.
»Hast du alle Dinge deines heiligen Tages erledigt? Du bist ziemlich lange fort gewesen!«
Kummer.
»Nun, jetzt bist du ja wieder da. Übernimm den Hammer Nummer drei und schick Herrn Vincent in mein Büro, in Ordnung?«
Ja.
Starkimarm ging die Treppe zum Büro hinauf. Oben drehte er sich um und blickte durch die Schmiede. Er beobachtete, wie Dibbuk zum dritten Hammer stapfte und dem Vorarbeiter seine Schiefertafel zeigte. Er beobachtete, wie der Vorarbeiter Vincent fortging. Er beobachtete, wie Dibbuk einen Rohling, der ein Schwert werden sollte, für mehrere Hammerschläge festhielt – um ihn dann beiseite zu werfen.
Starkimarm eilte die Treppe wieder hinunter.
Auf halbem Wege nach unten sah er, wie Dibbuk seinen Kopf auf den Amboß legte.
Als Starkimarm das Ende der Treppe erreichte, schlug der Hammer zum erstenmal zu.
Als er die Schmiede halb durchquert hatte, gefolgt von einigen Arbeitern, knallte der Hammer zum zweiten Mal auf Dibbuks Kopf herab.
Als er bei Dibbuk ankam, folgte der dritte Hammerschlag.
Das Glühen in den Augen des Golems verblaßte. Ein Riß bildete sich auf dem ausdruckslosen Gesicht.
Der Hammer hob sich zum vierten Mal…
»Duckt euch!« rief Starkimarm.
… und dann blieben nur noch Tonscherben übrig.
Als das Krachen verhallte, stand Thomas Starkimarm auf und klopfte seine Kleidung ab. Staub und Bruchstücke aus Ton bedeckten den Boden. Der Hammer war aus der Halterung gesprungen und lag neben dem Amboß, in einem Durcheinander aus Golemscherben.
Starkimarm griff nach einem Stück Fuß, warf es beiseite und hob die heil gebliebene Schiefertafel auf.
Darauf standen folgende Worte:
Der alte Mann hat uns geholfen!
Du sollst nicht töten!
Ton von meinem Ton!
Scham.
Kummer.
Der Vorarbeiter blickte über Starkimarms Schulter. »Was ist bloß in ihn gefahren?«
»Woher soll ich das wissen?«
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