Hokus Pokus Zuckerkuss
Womöglich sitzen wir über Nacht in Detroit fest.
Und irgendwie stört mich der Gedanke, mit Chaz in Detroit – oder sonst wo – festzusitzen, nicht im Mindesten.
Ist es falsch, mit meinem Verlobten zu telefonieren und dabei zu überlegen, dass es mir nichts ausmacht, mit seinem besten Freund auf dem Flughafen festzusitzen? Mit Chaz, den ich dauernd anfasse, weil ich es mir nicht verkneifen kann? Jedes Mal, wenn wir uns trennen, empfinde ich einen fast körperlichen Schmerz – bis ich wieder bei ihm bin, meine Hand auf seinen Arm lege, seine Schulter berühre oder meine Finger in seine schlinge … Geradezu bizarr. Nie zuvor habe ich so etwas erlebt … Nicht einmal mit Luke, meinem Verlobten.
Rose hat recht, ich bin ein Flittchen.
»Inzwischen habe ich viel nachgedacht«, sagt Luke.
»So?« Ich habe den Gesprächsfaden völlig verloren. Hinter mir piepst einer dieser Transporter, die ältere Passagiere zu den Gates bringen. Niemand will ihm Platz machen.
»Ja«, bestätigt Luke. »Möchtest du für eine Woche nach Paris kommen?«
»Ich? Meinst du …«
»Nun, ich würde unsere Auszeit gern beenden.«
»Äh – ich soll dich besuchen? In Paris?«
Mein Gott, er weiß es! Er errät, was zwischen Chaz und mir passiert ist! Dass Chaz bei Grans Begräbnis war, habe ich nicht erwähnt. Und offensichtlich hat er seit seiner Ankunft in Ann Arbor nicht mit Luke telefoniert.
Wie schrecklich. Jetzt wird Luke mit mir Schluss machen. Am Telefon. Klar, das verdiene ich, denn ich bin einfach grauenhaft. Auf dem »highway to hell«.
Mit geschlossenen Augen versuche ich, Kräfte für meine geplatzte Verlobung zu sammeln.
Aber Luke bemerkt nur: »Diese Wochen in Paris habe ich wirklich genossen. Ich weiß, das dürfte ich nicht sagen – nach allem, was du soeben durchgemacht hast. Doch es stimmt. Ich hatte ganz vergessen, wie sehr ich Paris liebe. Und die Arbeit bei Onkel Gerald ist fabelhaft, die macht mir richtig Spaß.«
Moment mal. Ich öffne die Augen. Also will er sich nicht von mir trennen. Das hört sich nämlich anders an.
»Jetzt merke ich wieder, wie gut es mir gefällt, in der Geschäftswelt zu arbeiten«, fährt er fort. »Fantastisch! Auch du wärst ganz begeistert. Letzten Sommer in Frankreich warst du ja so glücklich. So eine Schande, dass du mich nicht begleitet hast!«
»Ich konnte mir keinen Urlaub nehmen…« Obwohl ich Englisch spreche, klingt jedes Wort, das über meine Lippen kommt, seltsam fremd. Als würde es einer anderen Sprache entstammen.
»Das weiß ich. Dein Job ist dir sehr wichtig. Während
unserer Auszeit habe ich das begriffen. Glaub mir, Lizzie.«
Verstohlen spähe ich zu Chaz hinüber. Er fixiert das TV-Gerät über der Theke. Da läuft gerade ein Golfspiel. Infolge seiner Fernsehgewohnheiten im Hotelzimmer (obwohl wir nur ganz selten den Apparat eingeschaltet haben) erkenne ich allmählich, dass es keine Sportsendung gibt, die er sich nicht anschaut.
»Bist du etwa sauer?«, fragt Luke. »Weil es mir so gut in Paris gefällt?«
»Warum sollte ich deshalb sauer sein?« Was mich viel mehr bedrückt – ich schlafe mit dem besten Freund meines Verlobten, zufällig ist das auch der Ex meiner besten Freundin, die sich als Lesbe entpuppt hat. Das ist es, was mich bekümmert.
Nicht, dass ich das Luke erzählen würde.
»Dann bin ich maßlos erleichtert«, sagt er. »Ich meine – ich habe das Medizinstudium nicht aufgegeben. Nicht völlig. Es ist nur – ich bin mir nicht mehr sicher. Und Paris … Nun, Paris ist so wundervoll. Du würdest diese Stadt genauso lieben wie ich.«
Okay. Jetzt bin ich offiziell sauer. Ich muss das Telefonat abbrechen. Sofort. »Äh – oh – gerade wird mein Flug aufgerufen. Ich muss Schluss machen. Wir telefonieren später noch mal, Luke.«
»Alles klar. Ich liebe dich.«
»Ja, ich dich auch«, sage ich und drücke die Austaste.
Was war das gerade? Was war das gerade? Keine
Ahnung, ob ich das verkrafte … Ich laufe durch die überfüllte Halle und setze mich wieder auf meinen Barhocker in der Sports Bar, greife nach meinem Screwdriver und trinke das Glas leer.
»Langsam, du Schluckspecht.« Chaz beobachtet mich erschrocken. »Da hinten gibt’s noch mehr Wodka.«
Ich stelle das Glas beiseite. Dann sinkt mein Kopf auf die Theke. »Er will, dass ich ihn in Paris besuche«, teile ich den Erdnüssen mit, die zu Boden gefallen sind.
»So ein Bastard. Wahrscheinlich möchte er auch noch das Hochzeitsdatum festlegen.«
Ich hebe den Kopf und
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