Hokus Pokus Zuckerkuss
schaue Chaz an. Er trägt eine Baseballkappe von den Wolverines und sieht hinreißend aus – und so sexy zerknittert, als hätte er sich eben erst aus dem Bett gewälzt.
Was er tatsächlich getan hat. Zusammen mit mir.
Schon wieder überwältigen mich die Schuldgefühle wegen unserer Affäre – so wie etwa hundert Mal am Tag.
Meine Stirn fällt auf die Theke zurück. Am liebsten würde ich in Tränen ausbrechen. Ehrlich. Ich spüre Chaz’ Hand auf meinem Nacken.
»Kopf hoch, Kumpel, es könnte schlimmer sein.«
»Wie denn?«, frage ich die Thekenplatte.
»Nun ja …« Er unterbricht sich, um nachzudenken.
»Wenigstens bist du nicht schwanger.«
Mit diesem Argument erzielt er nicht den Comedy-Effekt, den er anscheinend beabsichtigt hat.
»O Chaz«, seufze ich unglücklich, »was du am Morgen nach Jills Hochzeit gesagt hast – alles ist wahr. Luke hat mir wirklich nur einen Heiratsantrag gemacht, weil er Angst vor seiner Einsamkeit hatte. Inzwischen habe ich es erkannt. Im Grunde interessiert er sich gar nicht für mich – ich meine, schon –, aber nicht auf die gleiche Art wie du. Würde ich ihm was bedeuten, wäre er zu Grans Begräbnis gekommen. Doch du hast das getan. Trotzdem – du weißt ja, in welchen Schwierigkeiten ich jetzt stecke. Ich habe einen Verlobten, den ich nicht liebe und der mich heiraten will. Und einen Liebhaber, den ich liebe und der mich nicht heiraten will. Warum willst du denn nicht heiraten, Chaz? Warum nicht?«
»Das habe ich dir gesagt. Und wenn du mich nicht so akzeptierst, wie ich bin, mit meinen hässlichen Warzen und allem Drum und Dran, dann solltest du vielleicht besser bei Luke bleiben. Er hat dir den Ring geschenkt. Dazu gibt’s noch den Bonus eines Investmentbankers und ein Apartment an der Fifth Avenue. Wenn du ihn abservieren würdest, wärst du verrückt. Ich habe nur ein schäbiges Apartment im East Village und irgendwann das Gehalt eines schlecht bezahlten Dozenten zu bieten. Oh, und keinen Ring. Ich weiß gar nicht, warum du überhaupt diese Erdnussschüssel mit mir teilst.«
Trostlos starre ich in die Schüssel. Er meint nicht die Erdnüsse, das weiß ich. Zumindest nicht nur . Gegen meinen Willen erinnere ich mich an den Abend in der O’Riordan’s Sports Bar, an den schrecklichen
Streit mit Chaz, an die Frage, die ich mir danach stellte: Welchen Sinn hat das alles, wenn man nicht heiratet?
Und was ich ganz besonders verrückt finde – seit ich mit Chaz schlafe, beginne ich, seinen Standpunkt zu verstehen. Ich meine, es kommt doch nur darauf an, dass man zusammen ist. Wer kümmert sich schon um ein blödes Papier?
Moment mal – habe ich das wirklich gerade gedacht? Was geschieht mit mir? In wen verwandle ich mich? Wirklich und wahrhaftig in ein Mädchen, dem die Ehe gleichgültig ist?
Vermutlich. Immerhin bin ich ja bereits die Sorte von Mädchen, die ihren Verlobten mit seinem besten Freund betrügt.
Plötzlich stöhne ich laut auf. »Wie kann ich ihm das antun? Wie können wir ihm das antun?« Verzweifelt schlage ich meine Hände vors Gesicht. »O Gott, ich muss mich übergeben …«
»Bitte, da drüben im Abfalleimer«, mahnt Chaz. »Und hör auf, dich selber anzuklagen. Während eurer Beziehung war er ja auch kein Tugendbold.«
Ich blinzle ihn zwischen meinen Fingern an. »Was meinst du damit?«
»Nichts. Willst du noch einen Drink? Gerade wurde unser Flug um eine weitere Stunde verschoben. Und ich glaube, du brauchst noch einen Drink.« Er winkt dem Barkeeper. »Diese junge Dame möchte noch einen Screwdriver. Mit Ketel One.«
Der Mann nickt und greift nach meinem alten Glas.
»Lieber hätte ich eine Cola light«, erkläre ich ihm. Inzwischen habe ich meine Hände sinken lassen, und ich klammere mich an der Theke fest, damit ich nicht vom Hocker falle. Weil ich den Wodka so schnell in mich hineingeschüttet habe, ist mir ein bisschen schwindlig. »Luke war kein Tugendbold? Was meinst du damit?«
»Nichts, wie gesagt. Was ich dich schon immer fragen wollte – wie ist das mit dem Strumpfband?«
» Was? « Durch meinen Alkoholnebel starre ich ihn verwirrt an.
»Nun, die Sache mit dem Strumpfband. Bei Hochzeiten. Wenn der Bräutigam der Braut ein Strumpfband auszieht und seinen Freunden zuwirft.«
»Oh.« Der Barkeeper serviert meine Cola light. Dankbar nehme ich einen Schluck. »Diese Sitte hat man in alten Zeiten eingeführt, wo die Höflinge das jungverheiratete Paar nach der Trauung zum Schlafzimmer begleiteten, um sich zu
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