Hokus Pokus Zuckerkuss
ebenso.«
»Also fünf. Von zweihundert. Gar nicht so übel.«
»Was meinst du, wann wir von hier verschwinden können?«
»Genau das wollte ich dich auch fragen.«
»Noch fünfzehn Minuten. Mom hatte noch keine Gelegenheit, an mir herumzunörgeln.«
»Okay. Und deshalb bleiben wir hier?«
»Ja, damit sie sich besser fühlt.«
»Wirklich, du bist eine gute Tochter. Habe ich schon erwähnt, dass du in diesem Rock richtig heiß aussiehst?«
»Etwa zwanzig Mal.«
»In diesem Rock siehst du richtig heiß aus.«
»Einundzwanzig.«
»Ohne den Rock würdest du noch heißer aussehen. Weißt du, worin du am allerheißesten aussiehst? In diesen winzigen Handtüchern vom Knight’s Inn.«
»Also gut, zehn Minuten«, seufze ich.
»Ich schau mal draußen nach, ob jemand das Mietauto blockiert«, sagt er und stellt den Plastikteller beiseite.
Keine zehn Sekunden, nachdem er hinausgegangen ist, treiben Sarah und Rose mich neben dem Klavier in die Enge. Wir alle drei hassen dieses Instrument, weil wir als Kinder gezwungen wurden, Klavier spielen zu lernen (und keine von uns hat’s jemals geschafft).
»Also, schieß los, Lizzie«, befiehlt Rose. »Was läuft mit Sharis Ex? Und versuch bloß nicht, es abzustreiten! Du stinkst nach billigem Motel-Shampoo.«
»Außerdem kann er seinen Blick nicht von dir losreißen«, lautet Sarahs etwas freundlicherer Beitrag zur Konversation.
»Keine Ahnung«, erwidere ich. »Hört mal, dafür habe ich jetzt keine Zeit, ich muss mich von Mom zusammenstauchen lassen.«
»Mom hat Migräne«, verkündet Rose, »und sie liegt oben in ihrem Zimmer, mit einem nassen
Waschlappen auf der Stirn. Da du sie ohnehin schon umgebracht hast – gib’s auf, Lizzie. Was wirst du mit diesem Luke machen? Ist er nicht Chaz’ bester Freund?«
»Werden sie um dich kämpfen ?«, will Sarah wissen. Davon träumt sie, seit sie West Side Story gesehen hat – dass zwei Jungs eines Tages um sie kämpfen werden.
»Darüber will ich wirklich nicht reden.« Ich stopfe einen ganzen Schokoladenkeks in meinen Mund, damit ich nicht reden kann – ganz egal, was sie als Nächstes sagen werden.
»Heißt das, du heiratest nicht in Frankreich?«, fragt Sarah. »Ich wollte nämlich einen Französischkurs belegen. Wenn’s nicht mehr nötig ist, gib mir Bescheid. Die Jungs im Italienischkurs sind nämlich viel süßer.«
»Falls du glaubst, Mom steht kurz vor dem Kollaps«, sagt Rose, »warte nur, bis sie rausfindet, dass du diesen Luke nicht heiratest. In ihrem Kurs für kreative Sammelalben hat sie allen Leuten erzählt, du seist mit einem Prinzen verlobt. Und diese Neuigkeit wird sie völlig erledigen. Welchen AC/DC-Text wirst du denn bei ihrer Totenmesse vorlesen?«
Wegen des Kekses in meinem Mund kann ich nicht reden. Und das finde ich sehr gut.
»Lizzie?« Ich drehe mich um. Schweren Herzens nehme ich zur Kenntnis, dass Shari hinter mir steht. Nicht, dass ich ihre Anwesenheit unerfreulich finde. Aber auf das, was jetzt auf mich zukommt, freue ich mich nicht .
Mühsam schlucke ich. »Hi, Share. Wie geht’s dir?«
»Oh, sehr gut.« Angewidert mustert sie meine Schwestern. »Könnte ich kurz allein mit dir sprechen?«
»Kein Problem.« Aber natürlich ist es ein Problem. Ich kann ihrer Miene entnehmen, dass es mir nicht gefallen wird, was sie zu sagen hat.
Trotzdem folge ich ihr die Treppe zu meinem alten Zimmer hinauf, das in ein Gästezimmer umgewandelt wurde, sinke auf mein altes Bett und versuche, den anklagenden Blicken der Madame-Alexander-Puppen auszuweichen, die mir meine Großeltern im Lauf der Jahre geschickt haben. Jo March ist ganz besonders enttäuscht von mir. Missbilligend starrt sie aus dem alten Regal auf mich herab.
»Was treibst du denn, Lizzie?«, fragt Shari und schließt die Tür hinter sich.
»Keine Ahnung, was du meinst«, murmle ich und betrachte meine Füße.
»Doch, das weißt du sehr gut. Stehst du unter der Einwirkung dieser Tabletten, die mein Dad dir verschrieben hat? Wenn ja, darfst du sie nicht mehr nehmen. Ich dachte, sie würden dir helfen. Stattdessen haben sie deinen Realitätssinn zerstört. Warum schläfst du mit Chaz? Hast du den Verstand verloren? Und was soll mit Luke geschehen?«
In meine Augen steigen Tränen. Ich blicke auf und sehe, dass Marmee, Jos Mom, mich noch verächtlicher anstarrt als ihre Tochter. Warum, o warum mussten Grandma und Grandpa mir zu jedem Geburtstag und zu Weihnachten eine Madame-Alexander-Puppe
schicken, bis ich sechzehn war? Da
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