Hokus Pokus Zuckerkuss
geweint hat … »Ich muss dir was sagen. Kannst du dir freinehmen und mich irgendwo treffen?«
»Klar.« Sharis Stimme klingt besorgt. »Im Village Tea House bei meinem Büro?«
Dort hat sie mir erzählt, warum sie Chaz verlassen musste. Wirklich passend.
»In einer halben Stunde.« Ich klappe das Handy zu, dann laufe ich zur U-Bahn. Um diese Tageszeit käme ich in einem Taxi viel schneller auf dem FDR-Drive voran. Aber ich bin arbeitslos. Also muss ich jeden Cent sparen.
Shari ruft an und sagt, sie würde sich verspäten, wegen einer Krise im Büro. Wie üblich ist sie die Einzige, die so was in Ordnung bringen kann.
Glücklicherweise verständigt sie mich, als ich aus der U-Bahn steige. Und so nutze ich meine unerwartete Freizeit zu einem Schaufensterbummel. Das Büro meiner Freundin liegt am Rand von China Town. Zuerst wandere ich blindlings von einer Auslage zur anderen. Aber dann entdecke ich einige Läden für Brautmoden. Bei manchen Kleidern sehe ich Mandarinkrägen und Knebelverschlüsse. Aber alle Schaufensterpuppen tragen Schleier.
Obwohl man die Mode hier in der direkten Umgebung von Fischmärkten oder Zuliefererbetrieben für Restaurants kauft, kosten die Kleider fast so viel wie bei Kleinfeld’s. Vor einem Schaufenster höre ich zwei Frauen in rasantem Chinesisch sprechen, und sie zeigen auf ein besonders schönes Kleid. Was sie sagen, verstehe ich natürlich nicht. Trotzdem weiß ich, worum es geht. Achthundert Dollar für das hübsche weiße Etuikleid mit dem Spitzenbesatz ist einfach zu viel – wenn man bedenkt, dass jede talentierte Schneiderin so etwas daheim für den halben Preis nähen könnte.
In Gedanken stimme ich den beiden Frauen zu. Brautkleider zu kaufen ist furchtbar stressig.
Kurz danach finde ich einen freien Tisch im Village Tea House und muss nur fünf Minuten warten, bis Shari hereineilt. Wortreich entschuldigt sie sich für die Verspätung und nimmt mir gegenüber Platz. »Ich habe im Büro erklärt, dass ich nicht gestört werden
darf. Das Handy und den Piepser habe ich abgeschaltet – und alle Zeit der Welt. Also schieß los. Wie geht’s dir? Was ist passiert?«
Statt zu antworten, überrasche ich uns beide mit einem Tränenausbruch. Ich versuche mein Gesicht hinter einer Serviette zu verstecken. Aber die wenigen Studenten und die paar verlotterten Typen, die wie Schriftsteller aussehen und an benachbarten Tischen auf ihrem Laptop herumhämmern, schauen ärgerlich zu uns herüber. Hastig geht die Kellnerin, die unsere Bestellung aufnehmen wollte, in die andere Richtung.
Shari ist so schockiert, dass sie unwillkürlich lacht. »O Lizzie, was bedrückt dich denn so sehr? Geht’s um deine Großmutter? Tut mir leid, ich weiß, du wirst sie schmerzlich vermissen. Aber sie hatte einen angenehmen Tod, im Schlaf, ein Bier in der Hand. Wahrscheinlich ist sie jetzt im Himmel und guckt die ganze Zeit Dr. Quinn . Und in jeder Folge tritt Sully auf.«
Heftig schüttle ich den Kopf, und mein Haar löst sich aus dem lockeren Pferdeschwanz. Ein paar Strähnen kleben an meinen tränennassen Wangen. »Das – das ist es nicht«, stottere ich.
»Was denn dann? Ist es Chaz? Hat er dich dermaßen aufgeregt? Ich bringe ihn um. Sag’s mir, und ich hacke sein Würstchen ab …«
»Nein. Nicht Chaz – auch nicht Gran …«
»Ah.« Wissend nickt Shari. »Jetzt ist mir alles klar, du hast es ihm erzählt. Luke. O Lizzie, das war ganz richtig. Glaub mir, ohne ihn bist du viel besser dran.
Ich konnte ihn nie leiden, er war so – perfekt … Begreifst du eigentlich, wovon ich rede?«
Bestürzt schaue ich sie an. Selbst wenn ich es versuchte – ich würde kein Wort hervorbringen.
»Das Château, die attraktive äußere Erscheinung, der angehende Arzt, das Apartment an der Fifth Avenue«, fährt Shari fort. »Irgendwie war das alles unheimlich. Unter welchem Glücksstern wurde dieser Junge denn geboren? Und an Weihnachten war er so gemein zu dir … Im Ernst, ich konnte es einfach nicht fassen, dass du seinen Heiratsantrag angenommen hast. Nur weil ich deine beste Freundin bin, tat ich so, als würde ich mich für dich freuen. Aber jetzt, wo du ihn abserviert hast, kaufe ich eine Carvel-Eistorte.« Als sie merkt, dass ich sie wortlos anstarre, fügt sie hinzu: »Zur Feier des Tages.«
»Shari …« Endlich gehorcht mir meine Stimme wieder. »Ich habe nicht mit Luke Schluss gemacht.«
Nun ist es an ihr, mich eine Zeit lang schweigend anzustarren. Schließlich seufzt sie: »Oh …
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