Hokus Pokus Zuckerkuss

Also nicht?«
    Ich schüttle den Kopf.
    Verlegen kaut sie an ihrer Unterlippe. »Also bin ich ins Fettnäpfchen getreten?«
    Ich atme tief durch. Weil ich plötzlich wieder mit den Tränen kämpfen muss. »Shari – die Henris verkaufen das Haus, in dem ich wohne und arbeite, und übersiedeln nach Frankreich. Alles verliere ich – meinen Job, mein Apartment, sogar den Sinn meines Lebens. Übrigens, wenn du auch glaubst, Luke wäre zu perfekt und deshalb unheimlich – da muss ich
dir widersprechen. Im Gegensatz zu Chaz wollte er mich wenigstens heiraten. Und Chaz hat mir mehrmals versichert, dass er das nie tun würde. Natürlich weiß ich es zu schätzen, wie sehr du dich mit mir freust, weil ich Luke endlich loswerde. Aber verzeih mir, ich habe wirklich keine Lust, das zu feiern. Schon gar nicht mit einer Carvel-Eistorte.«
    »Oh, Lizzie«, flüstert sie beklommen, »ich …«
    Noch länger kann ich nicht sitzen bleiben. Ich muss hier raus. Und so schiebe ich meinen Stuhl zurück und springe auf, als die Kellnerin zu unserem Tisch kommt. Entrüstet schaut sie mich an, aber ich stürme zur Tür.
    »Lizzie!«, ruft Shari mir nach. »Lauf nicht davon! Das wusste ich doch nicht! Du kannst nicht einfach verschwinden! Setz dich wieder zu mir, reden wir über alles! Lizzie!«
    Unbeirrt setze ich meinen Weg fort. Ich muss es tun, obwohl ich durch meinen Tränenschleier nicht sehe, wohin ich gehe.

EINE KURZE GESCHICHTE DER EHE
    Traditionsgemäß stand der Bräutigam links von der Braut, damit seine rechte (Schwert)-Hand die nötige Bewegungsfreiheit erhielt, falls er hartnäckige Verehrer des Mädchens abwehren musste.
     
    Aus demselben Grund standen die ursprünglichen Trauzeugen nicht in der Nähe des Bräutigams, sondern neben der Braut, um sie ebenfalls vor der unerwünschten Aufmerksamkeit anderer Männer zu schützen.
     
    Unglücklicherweise kam es ziemlich oft vor, dass die Bräute mit den Trauzeugen durchbrannten.
     
    Und so änderte man die Position des Trauzeugen, und er musste neben dem Bräutigam stehen. Eine Brautjungfer sorgte für die Keuschheit der Braut und wich nicht von ihrer Seite. Sicher waren die Hochzeiten (und Hochzeitsfeiern) früher viel interessanter.

    WIE MAN KATASTROPHEN AM HOCHZEITSTAG VERMEIDET
    Seien Sie bloß keine zickige Braut! Klar, jeder wird seine Meinung dazu äußern, wen Sie engagieren, welche Blumen und welche Torte Sie wählen sollen und wer die Hochzeitsfotos knipsen müsste. Befolgen Sie die Ratschläge, die Ihnen gefallen. Die anderen können Sie höflich ignorieren oder lächelnd ablehnen. Nehmen Sie das alles nicht zu persönlich! Wenn Ihre Hochzeit nicht so grandios/teuer/schön/unkonventionell wie die Ihrer Cousine Jacqueline ist – na und? Das ist kein Wettbewerb! Sie werden sich – für immer – mit dem Mann vereinen, den Sie lieben. Also vergessen Sie solche kleinlichen Gedanken!
     
     
    LIZZIE NICHOLS DESIGN ®

20
    Heil dir Liebe, eheliche Liebe, treu, geheimnisvoll,
du wahre Quelle menschlicher Verpflanzung.
     
    JOHN MILTON (1608 – 1674),
ENGLISCHER DICHTER
    Mein Handy hört nicht zu klingeln auf. Ich weiß, wer das ist.
    Aber ich melde mich nicht. Ich stehe auf der Madison Avenue zwischen der Seventy-seventh und der Seventy-sixth Street und starre in eine Auslage. Inzwischen habe ich zu weinen aufgehört und sehe alles glasklar – die üppige Fülle schneeweißer Seide, die eine Schaufensterpuppe umhüllt, die zarte Spitze im Blütenmuster. Jede winzige Einzelheit der Nähte und Stiche erkenne ich, obwohl die fast unsichtbar sind, die kunstvolle Perlenstickerei, die luxuriöse steife Tüllkrinoline, die den Rock in Form hält. Ja, dieses Kleid ist perfekt und individuell.
    Zweifellos kostet es ein paar tausend Dollar, vielleicht zehntausend.
    Und doch …
    Und doch, ich glaube, so etwas könnte ich auch zustande bringen. Nicht ganz so opulent, aber die
Braut, die mein Kleid eines Tages tragen wird, müsste sich himmlisch fühlen.
    Außerdem würde sie nur einen Bruchteil der Summe zahlen, die das Kleid in der Auslage kostet.
    Ich meine ja nur … Was ich mache, ist billig, okay. Das gebe ich zu. Aber es ist schön, und es gefällt den Frauen. Ava Geck hat’s gefallen. Und Jill Higgins. Hunderte – nun ja, Dutzende anderer Bräute sind ganz begeistert von meinen Kleidern gewesen.
    Gewiss, kein Vergleich mit Vera Wang.
    Trotzdem gut genug für den Hochzeitstag der Mädchen. Wunderschön haben sie ausgesehen – und sich wie etwas ganz Besonderes