Hokus Pokus Zuckerkuss
zusammen. Also bin ich eine Vier.«
Von dieser Skala der bösen Mädchen habe ich nie zuvor gehört – und auch nichts getan, das mir eine solche Bewertung eingebracht hätte. Nun bin ich ernsthaft interessiert. »Was ist Ava?«
»Lass mich überlegen. Ava schläft mit diesem DJ Tippycat. Und der ist auch verheiratet. Aber laut der Klatschpresse ist seine Frau auf dem Parkplatz eines Outback-Steakhouses mit einer Kettensäge über ihn hergefallen. Jetzt hat er ihr eine einstweilige Verfügung aufgehalst, und sie darf ihm nicht mehr in die Nähe kommen. Auf unserer Skala ist sie ungefähr eine Fünf.«
»Also schlimmer als du«, sage ich beeindruckt.
»Stimmt. Tip ist auf Bewährung aus dem Knast gekommen. Vor einer Weile wollte er sich in einem
Flieger ein bisschen Marihuana gönnen, das war im Stofftier eines seiner Kids versteckt. Aber trotzdem … O mein Gott, das darf ich nicht vergessen, ich muss Ava von dir und Chaz erzählen. Sicher wird sie’s ultrakrass finden, sie hat nämlich auch einen Fünfziger drauf gewettet. Und Little Joey sogar einen Hunderter!«
»Bitte!« Unbehaglich hebe ich eine Hand. Ava – das ist ein heikles Thema, denn seit jenem Morgen, an dem die Paparazzi vor dem Haus herumgelungert sind, hat sie noch immer nicht mit mir gesprochen. »Könnten wir es vorerst geheim halten? Es gibt einige Leute, die es nicht wissen dürfen. Erst mal muss ich darüber nachdenken. Wie – und ob ich es erzählen soll. Zum Beispiel Luke …«
»Was meinst du damit?« Tiffany blinzelt mich verblüfft an. »Natürlich wirst du’s Luke erzählen.«
Dazu sage ich nichts. Voller Unbehagen betrachte ich den Ring, den ich immer noch an meiner linken Hand trage.
»Du wirst doch mit Luke Schluss machen, Lizzie? Sofort ? Wenn du’s nicht tust – überleg doch mal, welche Nummer du dann auf der Skala der bösen Mädchen erreichst! Eine glatte Zehn! Du kannst dir nicht zwei Typen gleichzeitig halten. Was bildest du dir eigentlich ein, wer du bist? Anne Heche?«
»Okay, ich weiß«, stöhne ich. »Aber es wird Luke so wehtun! Nicht wegen mir, sondern wegen Chaz. Immerhin ist er sein bester Freund …«
»Nun, das ist Chaz’ Problem. Nicht deines. Komm schon, Lizzie, beide kannst du nicht haben. Ich
meine, ich könnte es. Aber du nicht. Dazu wärst du unfähig. Schau dich doch an. Du bist jetzt schon ein Nervenbündel. Obwohl Luke sich auf einem ganz anderen Kontinent herumtreibt. Deshalb wird er dich auch gar nicht erwischen. Du musst dich entscheiden. Und – ja, einem der beiden wird’s wehtun. Aber das hättest du bedenken müssen, bevor du ein böses Mädchen geworden bist.«
»Ich habe nicht beschlossen , ein böses Mädchen zu werden. Dagegen konnte ich nichts tun, es ist einfach passiert.«
Seufzend schüttelt Tiffany den Kopf. »Das behaupten sie alle.«
In diesem Moment bimmelt die Ladenglocke, und Monsieur Henri tritt ein, gefolgt von seiner sichtlich aufgeregten Gemahlin und einer anderen Frau, die ich nie zuvor gesehen habe. Sie trägt ein sommerlich leichtes, sehr korrektes Kostüm und eine Aktentasche in der Hand. Für eine Brautmutter sieht sie zu jung aus, für eine Braut, die an unseren speziellen Kleidern interessiert wäre, ein bisschen zu alt. Ich will ja nicht diskriminierend klingen, aber es ist wahr.
»Ah, Elizabeth!«, sagt Monsieur Henri bei meinem Anblick. »Also sind Sie zurückgekommen. Als wir von Ihrem Verlust hörten, waren wir sehr traurig.«
»Äh …« Seit der ersten Exkursion in die City, die er nach dem Herzinfarkt gewagt hat, sind wir uns nicht mehr begegnet. Ein paar Mal habe ich mit seiner Frau telefoniert. Sie hat mir erzählt, er würde daheim
in New Jersey seine Pétanque -Fähigkeiten vervollkommnen und Judge Judy gucken. »Vielen Dank. Tut mir leid, dass ich so lange verreist war.« Genau genommen vier Tage. Und nur zwei davon waren Arbeitstage. Ich bin mir sicher, Monsieur ist nur so plötzlich zurückgekehrt, offenbar mit einer Verstärkung, um mich zu maßregeln.
»Schon gut, schon gut.« Mit einer lästigen Geste tut er meine Besorgnis ab. »Also, Miss Lowenstein, das ist der Laden. Darf ich Sie ins Hinterzimmer führen?«
»Danke.« Miss Lowenstein schenkt mir ein ziemlich schmales Lächeln und folgt ihm.
Verwundert wende ich mich zu Madame Henri, die mir kaum in die Augen schauen kann. »Oh, Elizabeth«, sagt sie zum Teppichboden, »was soll ich nur sagen?«
»Ach ja …« Tiffany unterbricht sich, um ihren Cappuccino zu schlürfen. »Das habe
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