Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
besuchen, die ja seit den Studienjahren zu meiner zweiten Familie geworden waren.
Zum Schluss machten wir dann noch eine Städtetour durch Deutschland. Wir waren in München, in Köln, in Hannover, in Berlin und auch in Potsdam. Weil mein Partner und ich dort einen geschäftlichen Termin hatten, drückten wir unseren Eltern ein Handy und ein Wörterbuch in die Hand, denn ohne uns konnten sich die vier normalerweise nicht verständigen. Die deutschen Eltern sprachen nicht spanisch und die kubanischen nicht deutsch. Aber irgendwie haben sie sich durchgeschlagen. Wenn Menschen kommunizieren wollen, dann sprechen ihre Hände jede Sprache. Man überwindet sich, wenn man sich mag.
Als wir nach unserem Termin alle beim Essen waren, wollten sie von uns wissen, ob sie alles verstanden hätten. Und ich muss sagen, es hat gepasst. Die Chicos hatten sich über Autos unterhalten (worüber sonst!?!) und die Chicas über die Familie und über Klamotten, die sie beim Schaufensterbummel sahen. Die beiden haben sich sogar in einer Boutique die gleichen Hosen gekauft. Und mittags waren die vier allein im Restaurant, wo die deutschen den kubanischen Eltern mit viel »Muh« und »Mäh« und »Grunz« die Gerichte auf der Speisekarte erklärten.
Wir fuhren auch ein paar Tage nach Amsterdam. Bei einem Ausflug in die Umgebung war meine Mutter völlig überwältigt, als sie die vielen Tulpenfelder sah. »Oh, diese Farben«, rief sie immer wieder, »das sieht wie ein Regenbogen aus.« Besonders gut gefielen ihr die fliederfarbenen Blüten. Sie lief stundenlang durch das fliederfarbene Meer und sagte danach zu mir: »Ach, wie schön. Mi negrito , wenn ich einmal tot bin, dann will ich, dass du meine Asche über so einem Tulpenfeld verstreust.«
Wir wohnten in einem Hotel, in dem jedes Zimmer einen anderen Namen hatte. Das meiner Eltern hieß »Liebe«. Ich hatte es extra reservieren lassen, denn die Wände waren rosa und hinter dem Bett hing ein riesiges rotes Herz. Für den Abend hatte ich einen Tisch in einem sehr eleganten und feinen Restaurant reserviert – ich glaube, es hatte sogar einen Stern. Natürlich kannten meine Eltern so etwas nicht. Deshalb bat ich sie, sich richtig schick zu machen. Mein Vater trug einen schwarzen Gehrock, den er von mir geliehen hatte, und meine Mutter eine wunderschöne Brokatjacke aus den Achtzigern, die ich in einem Vintageshop in New York gekauft hatte. Beide sahen superelegant aus.
Als wir am Tisch saßen, musterte mein Vater kritisch den eingedeckten Tisch, die vielen Gläser und das viele Besteck. Und während die Kellner den ersten Gang brachten, sagte er: » Niño , sag den Leuten hier, dass ich nicht so viele Gabeln brauche. Ich brauche was Richtiges auf dem Teller und nicht die paar kleinen Sachen, die gerade gekommen sind.«
Nachdem wir mit dem Hauptgang fertig waren, kam der Oberkellner an den Tisch und fing an, sich mit uns zu unterhalten. Als er hörte, dass meine Eltern aus Kuba kamen und das erste Mal in ihrem Leben Europa besuchten, war er ganz gerührt. Er ging hinter die Bar und legte eine CD mit alten kubanischen Songs auf. Zum Dessert lief ein Bolero, Dos gardenias parat ti , einer der Lieblingssongs meines Vaters. Sofort forderte er, ohne zu zögern, meine Mutter auf, und die beiden fingen an, ganz innig zu tanzen. Einen Bolero tanzt man langsam, man nimmt sich Zeit dafür. Und so schwebten meine Eltern im Rhythmus der Musik eng umschlungen zwischen den Tischen dahin. Die anderen Gäste applaudierten, bis mein Vater und meine Mutter sich verbeugten und wieder hinsetzten. Der Oberkellner meinte später, dass er so etwas noch nicht in seinem Lokal erlebt habe.
In der Nähe unserer Wohnung in Hamburg gibt es einen kleinen Zeitungskiosk, und ich hatte dort vor der Ankunft meiner Eltern für meinen Vater eine spanische Tageszeitung abonniert. Als der Mann vom Kiosk hörte, dass meine Eltern aus Kuba kämen, erzählte er mir, dass er ein bisschen spanisch spreche. Toll, dachte ich, dann kann Papa, wenn er sich erst mal in der Gegend auskennt, jeden Morgen allein seine Zeitung holen.
Als meine Mutter ein paar Tage nach der Ankunft morgens allein in die Küche kam, wo ich gerade das Frühstück machte, fragte ich sie: »Wo ist Papa?«
»Der ist nach unten gegangen, um seine Zeitung zu holen.«
»Wie? Nach unten gegangen? Ganz allein?«, sagte ich und lief sofort auf den Balkon.
Und was soll ich sagen, da kam er in einem dunkelrot und braun gestreiften Pyjama und mit Hausschuhen vom
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