Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
Größen, Farben und Formen. Meine Mutter liebte Küchenutensilien, und so viele auf einmal hatte sie noch nie gesehen. Ein paarmal brachte ich sie einfach nur in diesen Laden und holte sie irgendwann wieder ab. Sie konnte dort stundenlang nur herumstöbern.
Auch die Supermärkte machten meine Eltern sprachlos. Einmal, als wir Schinken kaufen wollten, stand sie fassungslos vor der Theke, in der etwa zwanzig verschiedene Sorten auslagen. Das Gleiche passierte bei Brot und Käse, bei Obst und Gemüse und bei den Süßigkeiten. »Wie können sich die Leute hier nur entscheiden«, fragte meine Mutter immer wieder. »Woher wissen sie, was sie kaufen sollen bei so vielen Sachen? Da brauchst du ja zwei Jahre, bis du alles probiert hast.«
Mama und ich haben natürlich auch gemeinsam Chica-Shopping gemacht. Wir kauften ihr schöne Sachen zum Anziehen und ließen sie stylen: Sie war beim Friseur, bei der Maniküre und bei der Pediküre. Ich habe es genossen, sie hübsch zu machen.
Nach einiger Zeit sind wir in einem gemieteten Minivan zu unserer ersten Reise aufgebrochen. Zunächst legten wir einen Stopp bei den Eltern meines Freundes ein, die uns begleiten sollten, dann ging es weiter Richtung Süddeutschland, wo wir weitere Verwandtschaft kennenlernten. Darunter eine kleine stämmige Tante, die mich sehr an meine Tante Fela, den Feldwebel, erinnerte. Sie hatte extra für den Besuch meiner Eltern ein Hühnerfrikassee nach deutscher Art gemacht: so richtig mächtig mit Weißwein, Sahne, Spargel und Champignons. Als Beilage gab es Reis. Wir essen in Kuba zwar auch Hühnerfrikassee, aber die Art der Zubereitung ist völlig anders: etwas leichter mit Zwiebeln und Knoblauch in Tomatensauce.
Während meine Mutter dem fremden Essen gegenüber aufgeschlossen war und alles gern probierte, wollte mein Vater, ein typischer Kubaner, immer nur ein Stück Fleisch mit Bohnen und Reis. Deshalb war ich überzeugt, dass das deutsche Hühnerfrikassee ein Schock für ihn sein würde. Bis dahin hatte er noch nie etwas von Champignons oder Spargel gehört.
Als die Tante ihm das Frikassee servierte, verdrehte er zwar kurz die Augen, versuchte aber Haltung zu bewahren. Nicht dass es ihm nicht geschmeckt hätte. Er war eher wie ein kleines Kind, dem man etwas mit einer komischen Konsistenz zu essen gibt. Nach jedem Bissen Frikassee trank er sofort einen Schluck Wein. Ich habe meinen Vater noch nie so viel und so schnell trinken sehen wie an diesem Tag. Aus Höflichkeit aß er alles auf und machte der Tante damit eine riesengroße Freude. »Das ist schön, dass es euch schmeckt«, rief sie und lief in die Küche, um neues Frikassee zu holen.
Als sie mit Topf und Schöpflöffel zurück war, schaute sie meinen Vater aufmunternd an und fragte: »Ja?«
» Ya «, antwortete mein Vater und lächelte gequält.
Buff, klatschte ihm die Tante einen neuen Löffel voll Frikassee auf den Teller.
» Ya «, rief mein Vater entsetzt. Buff, noch ein Schöpflöffel landete auf dem Teller.
Dabei war das alles nur ein Missverständnis. Denn das spanische » ya « bedeutet so viel wie »genug« oder »es reicht«.
Meine Mutter schaute mich nur an, und ihr Blick sagte: »Bitte, niño , tu etwas.« Natürlich habe ich nichts unternommen, weil ich so viel Spaß an der Situation hatte …
Meine Mutter machte sich mit jedem Löffel, den sich mein Vater in den Mund schob, mehr Sorgen, dass er sich gleich am Tisch übergeben würde. Doch er aß heldenhaft alles auf. Ach ja, und von dem Tag an benützte er nie wieder das Wort » Ya « in Deutschland, sondern lernte das Wort »danke«.
Nach dem Frikassee-Abenteuer fuhren wir weiter nach Luxemburg und von dort aus nach Paris. Von der Aussichtsplattform des Eiffelturms habe ich meine Schwester in Jatibonico angerufen und das Telefon weitergereicht an meine Mutter, die fassungslos ins Handy rief: »Ach, wie schön, wir sind hier ganz oben und schauen über Paris, und ich kann dabei mit dir telefonieren.«
Anschließend waren wir in Frankreich unterwegs, danach in Spanien, Italien und in Österreich. Sogar Tschechien und die Slowakei haben wir besucht, denn ich wollte, dass meine Eltern die Orte kennenlernten, an denen ich studiert und gelebt hatte. Ich zeigte ihnen die Universität, mein Internat und mein Zimmer mit der Nummer 513, wo Christina und Maria vor dreizehn Jahren den falschen Koffer mitgenommen hatten. Wir trafen viele meiner Freunde aus dieser Zeit und fuhren nach Žilina, um Mišo und seine Familie zu
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