Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
genauso wie du, als du klein warst.« Irgendwo spielte Musik – Alicia tanzte. Irgendwo gab es eine Party – Alicia feierte in der Mitte. Sie war schon als kleines Mädchen immer gestylt, trug rote Schuhe und dazu eine rote Schleife im Haar und hatte eine ganz genaue Vorstellung, wie sie aussehen wollte. Heute, als erwachsene Frau, ist sie wie ich verrückt nach schönen Sachen zum Anziehen. Und die High Heels sind auch ihre besten Freunde.
Alicia ist mir aber nicht nur in dieser Hinsicht ähnlich. Sie ging immer gern zur Schule, war eine sehr gute Schülerin und eine ehrgeizige Studentin. Gerade erst hat sie ihr BWL-Diplom mit eins geschafft. Und sie liebt es, mit älteren Menschen zusammen zu sein und geht sehr respektvoll mit ihnen um. Die älteren Damen in Jatibonico sind für sie alle ihre abuelitas , ihre Omas.
Alicia ist charmant und weiß genau, was sie will. Mit einem Augenaufschlag kann sie mich um den Finger wickeln. »Noch ein Paar Schuhe!?!«, fragte ich kürzlich, als sie mir bei einem Besuch in Kuba eine ihrer neuesten Errungenschaften zeigte.
»Du sagst besser nichts«, rief meine Schwester dazwischen, »denn sie ist genauso wie du.«
Alicia verdrehte nur die Augen und flüsterte mir zu: » Tío , Onkel, du weißt schon …«
Seit unserer ersten Begegnung habe ich versucht, so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie zu verbringen, um nachzuholen, was ich in den acht Jahren meines »Exils« versäumt hatte. Deshalb wollte ich auch unbedingt dabei sein, als meine kleine Alicia, die gar keine kleine Alicia mehr war, im Oktober 2005 ihren fünfzehnten Geburtstag feierte, in Kuba ein wichtiges Ereignis im Leben einer Chica. Fünfzehn ist das Signal: Jetzt bist du eine Frau. Dieser Tag wird richtig groß gefeiert, und die Mädchen tragen meist lange weiße Kleider – ähnlich wie die Debütantinnen, die mit einem Ball in die Gesellschaft eingeführt werden – und dem Vater gehört der erste Tanz mit seiner Tochter.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Mittlerweile feiert man meist eine Party, zu der jeder eingeladen wird. Da kommt das ganze Dorf, auch Leute, die man gar nicht kennt, feiern mit. Und alle bringen Geschenke für die Chica.
Vor ihrem Geburtstag rief ich Alicia aus Deutschland an und fragte, ob sie wirklich so eine anonyme Riesenparty feiern wollte. Der Gedanke gefiel mir nicht, dass sie wie viele der jungen Mädchen auf erwachsen gestylt werden sollte – als kleine Braut mit toupierten Haaren und das Gesicht zugekleistert mit Schminke –, nur um hinterher auf dem traditionellen Foto wie eine Dreißigjährige auszusehen. Das wirkt einfach viel zu gestellt. Das mochte ich nicht. Deshalb versuchte ich, meine Nichte zu beraten und herauszufinden, was sie wirklich wollte. Ich hatte ihr versprochen, diese Party auszurichten, und war bereit, ihre Wünsche zu erfüllen.
»Ich mache, was du willst, denn es ist deine Feier«, sagte ich ihr am Telefon, »aber möchtest du wirklich bei vierzig Grad in einem Plastikbrautkleid rumlaufen und mit Leuten feiern, die du gar nicht kennst? Wenn du deinen Onkel fragst, der dich über alles liebt, dann kann er dir ein Fest vorschlagen, das du mehr genießen wirst, weil du keinen Stress hast.«
Ich wusste ganz genau, was sie wollte – ich wusste aber auch, dass sie sich das nicht vorzuschlagen traute. Also malte ich ein Szenario in bunten Farben: »Wenn du jetzt zum Beispiel zu mir sagen würdest: › Tío , ich wollte immer schon mal in die Diskothek »El Chevere« und in die Show vom »Tropicana« gehen‹, dann würde ich als dein Onkel antworten: ›Okay, lad deine besten Freundinnen und deine Familie ein, und dein Onkel mietet ein Auto, das alle nach Havanna bringt. Die Chicas gehen tagsüber shoppen, und am Abend feiern wir mit der ganzen Familie. Und wenn du dieses hässliche ‚Brautfoto‘ nicht machen willst, dann gebe ich dir eine Kamera, mit der du den ganzen Tag Fotos knipsen kannst, aus denen wir dir später ein schönes Album machen.‹«
Alicia war im Glück. An ihrem großen Tag feierten dann insgesamt »nur« dreißig Leute. Es kamen sogar ein paar meiner Freunde aus dem Ausland, wie zum Beispiel Mišo, der mich schon einmal nach Kuba begleitet hatte, als Alicia noch klein war. Damals war sie so verliebt in den »Prinzen mit den blauen Augen«. Dieser Prinz brachte ihr nun zum Geburtstag einen riesigen Strauß Orchideen, die ersten Blumen von einem Mann. Wir feierten in der Diskothek »El Chevere«, einem superheißen
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