Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
Kiosk zurück und lief gerade an der gut besuchten Terrasse eines Cafés vorbei. Alle Leute haben geschaut und gelacht. Und was machte Papa? Der pfiff nur fröhlich vor sich hin, griff sich zum Gruß mit den Fingern an die Stirn und rief den Leuten grinsend zu: » Hoooolaaaaa «.
Es wundert euch wahrscheinlich nicht, dass mein Vater schon nach kurzer Zeit in Hamburg alle Nachbarn kannte, vor allem die weiblichen. Am Anfang begrüßte er sie noch mit » Hola «, aber irgendwann bekam er mit, dass man in Deutschland »Hallo« sagt. Von dem Moment an rief er jedem, dem er begegnete, ein tiefes »Halloooooo« zu – bis meine Mutter ihm irgendwann befahl: »Lass das, Gude.«
Natürlich lächelte mein Vater weiterhin alle hübschen Frauen an und machte ihnen Komplimente. Meine Mutter amüsierte sich sehr über ihn. Denn egal, wo wir hinkamen, flirtete er, was das Zeug hielt: » Hey, que linda. Mira que linda sonrisa.« Hey, meine Hübsche. Schau mal, wie schön sie lacht.
Obwohl die meisten Chicas nicht verstanden, was er sagte, wussten sie instinktiv, dass es etwas Nettes war. Deshalb haben sie gelacht und sich gefreut. Papa ist eben ein richtiger Filou oder, wie wir auf Kuba sagen, ein rompecorazones , ein Herzensbrecher.
Einmal besuchten wir in einer Bar ein Konzert. Die Gruppe spielte fast nur Soulmusik. Doch auf einmal kam Oye como va . Ihr kennt das Lied vielleicht von Carlos Santana. Mein Vater hörte den Song, sprang auf und lief los, um zu tanzen. Da fiel ihm ein, dass er meine Mutter am Tisch vergessen hatte. Also kam er zurück, packte sie an der Hand und zog sie an sich. Die Band spielte den Song gleich zweimal hintereinander, weil die Atmosphäre so toll war. Denn kaum fingen Mama und Papa an zu tanzen, bildeten die Leute einen Kreis um sie und klatschten und klatschten. Meine Eltern forderten die Leute zum Mittanzen auf, und kurz darauf haben alle die Hüften geschwungen.
»Ach, Deutschland ist ein Paradies«, schwärmte meine Mutter, als sie wieder zurück in Kuba war. »Die Leute sind so leise, so höflich und so respektvoll. Alles ist so sauber, du siehst nicht ein Papier auf der Straße. Die Mülltonnen haben verschiedene Farben, für jeden Müll eine andere. Und in den Bars und Restaurants gibt es in den Toiletten sogar Klopapier.« Dazu muss man wissen, dass es in Kuba nur ganz selten Klopapier gab. Als ich ein Kind war, benutzten wir alte, klein geschnittene Zeitungen. »Auf diese Weise lernen alle unsere Augen lesen.«, sagte mein Großvater immer, »und wir bekommen die Informationen auch von hinten.«
Auch mein Vater war voller Lob: »Wenn ich jung wäre, würde ich nach Deutschland gehen – und als Müllmann arbeiten.« Er liebte es, zuzuschauen, wenn morgens der Müllwagen kam. In Kuba wurde der Müll auf offenen, dreckigen Lastern weggebracht, die fürchterlich stanken und auf denen sich Fliegen und Ratten trafen. »Schau mal«, sagte er einmal zu mir, als der Wagen der Hamburger Müllabfuhr gerade wieder vorbeikam, »die haben eine Uniform an und müssen sich gar nicht schmutzig machen. Denn das Auto macht alles allein.«
Dass ich meiner Mutter und meinem Vater zeigen konnte, wie ich lebe und wer meine Freunde sind, war für mich ein echter Höhepunkt in meinem Leben. Ich hatte ihnen am Telefon davon erzählt oder Fotos gezeigt, als ich in Kuba war, aber das ist nicht das Gleiche, wie es selbst zu erleben. Ich liebe meine Eltern nicht nur, weil ich ihr Fleisch und Blut bin, sondern vor allem, weil sie mich mit so viel Liebe großgezogen haben. Deshalb wollte ich ihnen zeigen, wo diese Liebe heute weiterwächst – wo ihr Sohn sein neues Zuhause und sein ganzes »Ich« gefunden hat.
Tío Jorge und die magischen Schuhe
Ich wollte immer schon eine Nichte haben, eine kleine Chica, die ich verwöhnen kann. Alicia, die Tochter meiner Schwester, ist deshalb mein größter Stolz. Auch wenn ich meinen Neffen, den Sohn meines Bruders, sehr liebe, lässt sich dieser Chico einfach nicht für Geschenke wie schöne Kleider oder High Heels begeistern.
Viele Jahre lang kannte ich leider nur Alicias Stimme, denn ich durfte ja nicht nach Kuba reisen. Persönlich kennengelernt habe ich sie erst, als ich mit Christina 1997 nach Kuba flog, da war sie schon sieben Jahre alt. Aber meine Mutter und meine Schwester erzählten ihr immer von mir, deshalb war ich präsent in der Familie, ohne anwesend zu sein.
Alicia ist mir sehr ähnlich. Am Telefon sagte meine Mutter manchmal zu mir: » Mi negrito , sie ist
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