Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
gründen. Wir organisierten und produzierten Events und Musicals. Mittlerweile ist daraus eine Künstleragentur geworden. Die High Heels blieben auch bei dieser Arbeit immer präsent: Über die Jahre organisierten wir viele Fashionevents, und ich arbeitete als Choreograf von Fashionshows, als Catwalktrainer für Modelagenturen, als Designer oder als Stylist.
Nachdem wir fast zwei Jahre ein Paar waren, wollten wir im Sommer 1998 nach Kuba fliegen, damit meine Familie endlich meinen Lebensgefährten kennenlernen konnte. Ich hatte nie mit meinen Eltern über meine Homosexualität gesprochen. Deshalb sagte ich meiner Mutter am Telefon: »Mama, ich bringe meinen Freund mit.«
Daraufhin sprach sie am Abend mit meinem Vater: »Gude, unser Sohn kommt bald zu Besuch und bringt seinen Partner mit. Du weißt, er hat seinen eigenen Lebensstil, und wir müssen akzeptieren und respektieren, wie er lebt.«
» Claro que sí , na klar«, antwortete mein Vater, und damit war die Sache erledigt.
Ihr kennt mich ja jetzt schon. Natürlich war ich nervös vor dieser Begegnung. Also beschloss ich, um die Situation etwas aufzulockern, meinen Freund ein bisschen zu »ärgern«. Kurz vor der Abreise erzählte ich ihm: »Weißt du was, wenn du meine Familie zum ersten Mal triffst, dann musst du bitte unbedingt einen Anzug und eine Krawatte anziehen. Mein Vater ist nämlich sehr konservativ.« Einen Anzug mit Krawatte. Ende Juli, wenn es in Kuba superheiß ist, so vierzig Grad im Schatten bei hoher Luftfeuchtigkeit …
In Havanna angekommen, wohnten wir die ersten paar Tage im Haus von Freunden, wo meine Eltern uns besuchen wollten, bevor wir alle zusammen nach Jatibonico fuhren. Am nächsten Tag kam dann die Stunde der Wahrheit: Es klingelte an der Tür und ich – in Flipflops, Shorts und T-Shirt – rief meinen Freund, der im Schlafzimmer war, um sich umzuziehen.
Als er in voller Montur – schwarze, blitzsauber geputzte Schuhe, hellblaues Nadelstreifenhemd mit weißem Kragen, dunkler Anzug mit Krawatte und Einstecktuch – ins Wohnzimmer kam, wo meine Eltern mittlerweile Platz genommen hatten, sagte mein Vater statt des üblichen » Hola « in meine Richtung: »Sag mal, heiratet er, oder ist er Rechtsanwalt?«
Mein Freund hatte natürlich einen konservativen Mann im Anzug erwartet. Doch es erschien ein älterer Herr in Shorts, Latschen und kurzärmeligem Hemd. Alle kapierten sofort, dass ich meinen Freund auf den Arm genommen hatte, und brachen in schallendes Gelächter aus. Das Eis war gebrochen … Meine Eltern waren begeistert von der Natürlichkeit und Herzlichkeit meines Partners. Sie akzeptierten ihn vom ersten Moment an und schlossen ihn ins Herz. Das war einer der schönsten Momente in meinem Leben. Es war mir so wichtig, weil sie mir damit zeigten, dass sie nichts falsch an mir fanden.
Während dieses Aufenthalts in Kuba präsentierte Manuel, der inzwischen eine Karriere als Modedesigner gestartet hatte, seine erste Kollektion auf einer Fashionshow in Havanna, und zwar in dem prächtigen Innenhof des Modehauses »La Maison«. Manuel hatte einen Newcomer-Wettbewerb gewonnen und sich in Kuba mit seinen Kreationen bereits einen Namen gemacht. Nach der Show lief ich zu ihm, umarmte ihn und rief begeistert: »Manuel, du musst unbedingt nach Europa.« Ich war hin und weg von seiner Kollektion. Was für ein Talent! Dass er begabt war, wusste ich, seit er als Jugendlicher aus der alten Bettwäsche seiner Tanten Klamotten genäht oder ihre Kleider aus den Fünfzigern umgeschneidert hatte. Aber dass er so talentiert war, das ahnte ich damals nicht.
Auch bei dieser Kubareise wurde ich von ein paar Freunden aus Deutschland begleitet. Neben meinem Partner waren ein befreundeter Mode- und Werbefotograf und seine Frau mitgekommen. Wir organisierten mit dem Fotografen ein richtig professionelles Shooting in Havanna mit Manuels Kollektion.
Danach fuhren wir alle zusammen nach Varadero, um Urlaub an einem der beliebtesten Strände Kubas zu machen. Wir hatten eine Unterkunft zusammen mit meinen Eltern gemietet, und meine Freunde aus Deutschland, der Fotograf und seine Frau, waren in einem sehr schönen Hotel untergebracht. Sie kannten meine Eltern und luden sie eines Abends auf einen Drink in die Bar ihres Hotels ein. Wieder ließen die Sicherheitsleute meine Eltern nicht rein. Meine Freunde waren außer sich. Sie packten am nächsten Tag ihre Koffer und fuhren zurück nach Havanna. Später sagten sie mir: »Jorge, wir lieben dein Land, wir
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