Holidays on Ice
belauerte und ansah, als wäre es ein lebendiges Geschöpf. Wenn jemand (Gott behüte!) Clifford, Kyle oder mich sprechen wollte, legte sie einfach auf!!!! Was haltet Ihr von so einem Anrufbeantworter!!!!!!!!!!!!!!
Irgendwann erkannte ich, dass ihr Betragen an Wahnsinn grenzte, und redete ihr gut zu.
»ER IST NICHTS FÜR DICH«, schrie ich. (Man hat mich wegen meines Geschreis kritisiert, hat mir gesagt, es hat keinen echten Sinn, wenn man mit einem Ausländer spricht, aber immerhin erregt man damit ihre Aufmerksamkeit!) »ER IST MEIN SOHN AM COLLEGE. MEIN SOHN EINSERSTUDENT, NICHT FÜR DICH.«
Sie kauerte mit einem Lockenstab neben dem Telefon. Beim Klang meiner Stimme richtete sie ihre Aufmerksamkeit instinktiv woandershin.
»MEIN SOHN UND MEIN MANN SIND FÜR DICH OFF-LIMITS, HAST DU DAS VERSTANDEN? SIE SIND BEIDE AUF DIE EINE ODER ANDERE WEISE MIT DIR VERWANDT, UND DADURCH IST DAS FALSCH. AUTOMATISCH FALSCH. SCHLECHT, SCHLECHT, FALSCH! SOWOHL FALSCH ALS AUCH SCHLECHT FÜR DIE QUE SANH, MIT SOHN ODER MANN VON DER JOCELYN ZUSAMMENZUSEIN. SCHLECHT UND FALSCH. VERSTEHST DU, WAS ICH JETZT SAGE?«
Sie sah kurz auf und widmete ihre Aufmerksamkeit wieder der elektrischen Schnur.
Ich gab's auf. Que Sanh moralische Prinzipien zu erkl ären, war, als überprüfte man seine Steuererklärung (Standardformular 1040) mit einer Hauskatze! Sie versteht nur, was sie als verstehenswert erachtet. Sagt man das Wort »Shopping«, sitzt sie schneller, als man zwinkern kann, vorne rechts im Auto! Versucht man es mit einem komplizierteren Wort wie »fegen« oder »bügeln«, zuckt sie die Schultern und zieht sich auf ihr Zimmer zurück.
»STAUBSAUGEN«, sage ich zum Beispiel. »STAUBSAUGE DEN TEPPICH.«
Als Reaktion klimpert sie mit ihrem Armband oder betrachtet ihre Fingern ägel.
Verzweifelt bestrebt, mich verst ändlich zu machen, hole ich dann den Staubsauger und demonstriere es.
»SIEH DIR JOCELYN AN. JOCELYN SAUGT DEN TEPPICH STAUB. LA LA LA!! STAUBSAUGEN MACHT SEHR VIEL SPASS. ES IST EIN VERGNÜGEN UND EIN GENUSS, MEIN HAUS MIT EINEM STAUBSAUGER ZU REINIGEN. LALA LA!!«
Ich versuchte es ihr als lohnende Übung zu vermitteln, aber als ich schließlich einen Funken Interesse in ihr wachgerufen zu haben glaubte, war ich mit Staubsaugen fertig. Wie ich schon sagte, versteht Que Sanh nur, was sie verstehen will. Rückblickend hatte ich wahrscheinlich keinen vernünftigen Grund, ihr zu glauben, als sie plötzlich einwilligte, im Haushalt zu helfen, aber an dem fraglichen Tag war ich mit meinem Latein am Ende.
Wir n äherten uns Weihnachten, es war der 16. Dezember, als ich den unüberlegten Fehler machte, sie darum zu bitten, dass sie auf das Kind aufpasst, während ich Besorgungen mache. Mit einem pflegebedürftigen, verschrumpelten Neugeborenen, einem Sohn im schwierigen Alter und einer zweiundzwanzigj ährigen halbnackten »Stieftochter« im Haus hatte ich ständig gut zu tun, achtundzwanzig Stunden am Tag!!!! Es war neun Tage vor Weihnachten, und beschäftigt, wie ich war, hatte ich noch kein einziges Geschenk gekauft. (Weihnachtsmann, wo bist du wenn man dich braucht????????)
An jenem fr ühen Nachmittag war Kyle in der Schule, Clifford war im Büro, und Que Sanh saß neben dem Telefon und puhlte mit bloßen Händen an einem Bratfisch vom Vortag herum.
»PASS AUF DAS BABY AUF«, sagte ich. »PASS AUF DON, DAS BABY, AUF, WÄHREND ICH WEG BIN.«
Sie betrachtete ihre Fettfinger.
»DU PASST AUF BABY DON AUF, WÄHREND JOCELYN SHOPPING GEHT, UM WEIHNACHTSGESCHENK FÜR DIE QUE SANH ZU BESORGEN, HO, HO!«
Bei der Erw ähnung des Wortes "Shopping" straffte sie sich und schenkte mir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Nachdem sie Radio gehört und ferngesehen hatte, verstand sie Weihnachten als Gelegenheit Geschenke zu empfangen, und hatte sich angewöhnt über Versandhauskatalogen zu hocken und ihre Wünsche mit den Worten »Ho, ho, ho« auszudrücken.
Ich entsinne mich noch deutlich meiner Wortwahl an jenem kalten und bew ölkten Dezembernachmittag Ich verwendete nicht das Wort »Babysitten«, weil ich fürchtete, sie könnte mich beim Wort nehmen und buchstäblich auf dem Baby sitzen wollen. »PASS AUF DAS BABY AUF«, sagte ich, als wir die Treppe zum Schlafzimmer, das sie sich mit Don teilte, hinaufgingen. Que Sanh hatte in Kevins leer stehendem Zimmer geschlafen, bis ich sie, nach ihrem Erntedank-Einsatz, zu Don ins Kinderzimmer umquartierte.
»PASS AUF DAS BABY AUF«, wiederholte ich, als wir uns über das Kinderbettchen
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