Hollisch verliebt
nach dieser Stimme wie nach einer Rettungsleine. Und genau das war sie. Eine Ewigkeit war er in einem Meer aus Nichts getrieben, ohne Geräusche, ohne Farben oder Empfindungen und ohne Ausweg. Er wuchtete sich einen Berg hinauf, sah oben, dass die Leine über einem Abgrund baumelte, ließ sich fallen und landete in einem Fluss aus Eis.
„Aden.“ Er zitterte am ganzen Körper. „Wach endlich auf.“
Plötzlich riss er die Augen auf. Victoria beugte sich über ihn, ihr schwarzes Haar fiel auf seine Schulter und kitzelte ihn an der nackten Brust. Vor Sorge waren ihre Wangen gerötet, und ihr stand kalter Schweiß auf der Stirn.
„Was ist los?“, ächzte er. Als er sich aufsetzte, beschwerte sich jede Faser seines Körpers. Seine Muskeln verkrampften sich, und seine Haut fühlte sich so gespannt an wie ein Gummiband kurz vor dem Zerreißen. Sein Mund war so trocken wie die Sahara, und sein Magen … sein Magen machte ihm am meisten zu schaffen. Grummelnd zog der sich zusammen und war wahrscheinlich gerade dabei, sich selbst zu verdauen.
„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“ Victoria richtete sich auf. Sie steckte eine Hand in eine Tasche und spielte mit etwas, das knisterte. Eine Art Verpackung, schätzte er. „Nicht mehr lange, und ich hätte dir Blut in die Kehle geschüttet.“
Mmhh … Blut …
Er leckte sich die Lippen und versuchte sich an seine letzten wachen Momente zu erinnern. Mitten in einer Party hatte er den Ballsaal betreten. Er hatte den Blick über die Anwesenden schweifen lassen und dann irgendwie durch eine Spiegelwand hindurch Victoria entdeckt. Offenbar eine weitere Vampirfähigkeit. Wie viele würde er noch übernehmen?
Zusammen hatten sie den Ballsaal verlassen und waren nach oben gegangen, um zu reden. Er hatte sich auf die Bettkante gesetzt und … danach wusste er nichts mehr. Er musste wohl eingeschlafen sein.
Schwächling.
Eigentlich hatte er Victoria von der Tänzerin erzählen wollen und von der Vision, in der Victoria als kleines Mädchen ausgepeitscht worden war. Und von ihrer Mutter, dem Grund für diese Strafe. Abervielleicht war sein spontanes Nickerchen ein Segen gewesen. Die Geschichte hätte Victoria belastet, und im Moment sah sie nicht so aus, als könne sie noch mehr ertragen. Sie wirkte zart, richtiggehend zerbrechlich.
„Wie spät ist es?“ Er holte tief Luft und – dummer Fehler! Es verschlug ihm jeden vernünftigen Gedanken. Victorias verlockender Duft war ihm in die Nase gestiegen, und jetzt durchzuckte seinen ganzen Körper das Gefühl, er müsse sie haben. Mit einem Mal wurde die Wüste in seinem Mund hinweggespült, und sein Zahnfleisch schmerzte, wie so oft in letzter Zeit.
„Geht es dir gut?“, fragte Victoria.
„Ja“, krächzte er. „Alles okay.“
„Riley würde jetzt sagen: Ich tue mal so, als würde ich das glauben.
Und um deine Frage zu beantworten: Es ist früher Morgen.“
Er schüttelte den Kopf, um die Spinnweben aus seinem Schädel zu verscheuchen, aber sie erwiesen sich als sehr hartnäckig. „Immer noch?“
„Schon wieder.“
Ach so. Das glaubte er schon eher.
„Du bist in einen Heilschlaf gefallen“, erklärte sie.
Heilschlaf. Diesen Begriff hatte Aden noch nie gehört, aber genauso, wie er die Namen aller Vampire gekannt hatte, wusste er, was er bedeutete. Heilschlaf meinte einen komatösen Zustand ohne jede Sinneswahrnehmung, in dem Vampir und Monster zu einem Wesen verschmolzen. Die Anzahl der Blutkörperchen schoss in die Höhe, um die Heilung zu beschleunigen.
Trotzdem fühlte er sich, als wäre er gegen hundert Schläger angetreten und hätte verloren. Hätte er nicht einiges erledigen müssen, hätte er sich zu einer zweiten Runde Matratzenhorchen eingerollt.
Er schwang die Beine aus dem Bett. Als er aufstehen wollte, legte Victoria ihm eine eiskalte Hand auf die Schulter. Ihr Druck war sanft, aber er genügte. Und er war nötig. Schon bei dieser kleinen Bewegung überspülte Adens Körper eine Welle reinen Schmerzes.
„Wieso fühle ich mich denn nach einem Heilschlaf so mies?“
„Weil das neue Körpergewebe noch nicht fest ist. Aber keine Sorge, wenn du erst mal aufstehst und dich streckst, fühlst du dich besser.“
Ihr überzeugter Ton ließ keinen Zweifel zu. „Wie oft hast du das schon durchgemacht?“
Sie zuckte anmutig mit den Schultern. „ Das kann ich schon langenicht mehr zählen.“
Das hörte er gar nicht gerne. „Erzählst du mir mehr darüber?“
„Lieber nicht.“
„Ich
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