Hollisch verliebt
aufgeflogen war, hatte er nicht gehört. Er konnte gar nichts mehr hören. Neben dem Bett standen drei Menschen, von denen sich zwei um Mary Ann kümmerten. Sie zogen ihre Lider auf, leuchteten ihr mit einer hellen Lampe in die Augen und klebtenihr Elektroden auf die Brust. Der andere Mensch machte das Gleiche bei Riley. Der Sanitäter redete mit ihm, stellte ihm vielleicht Fragen, aber Riley verstand ihn nicht.
Um ihn herum verschwamm alles, als würde Nebel aufziehen. Dann wurde er hochgehoben und auf etwas Kaltes, halbwegs Weiches gelegt. Vielleicht eine Krankentrage. Er drehte den Kopf, um zu sehen, ob Mary Ann auch auf eine Trage gelegt wurde, aber der Nebel hatte sich so verdichtet, dass Riley nur eine endlose weiße Fläche sah.
Er spürte einen Stich im Arm, etwas Warmes in den Adern. Nein, nichts Warmes, etwas Brennendes, das ihn durchströmte. Sofort wurden seine Lider so schwer, dass sie ihm zufielen. Die Dunkelheit nahte. Er kämpfte dagegen an, weil er wissen wollte, dass es Mary Ann gut ging, dass sie nicht getrennt wurden. Wieder wurde er gestochen, wieder brannte es. Und er kämpfte immer noch.
Die Dunkelheit wurde immer stärker, bis sie Riley ganz verschlang. Er konnte sich nicht rühren und kaum atmen. Irgendwann wusste er nicht mehr, wogegen er sich eigentlich wehrte.
In einem gestohlenen Auto folgte Tucker dem Krankenwagen, in dem Mary Ann und der Wolf lagen. Er hatte gesehen, wie die Sanitäter sie eingeladen hatten. Beide hatten am Tropf gehangen, und die Menschen hatten sich hektisch bemüht, sie zu retten. Also lebten beide noch. Erstaunlich. Der Bitterkeit in ihren Stimmen zufolge rechneten die Sanitäter allerdings damit, beide zu verlieren, bevor sie auch nur das Krankenhaus erreichten.
Vielleicht hatten sie recht, vielleicht auch nicht. Bis jetzt hatten Riley und Mary Ann durchgehalten, also warum nicht noch länger?
So oder so musste das Paar sterben. Genau wie die Hexen.
Die Hexen. Denk nicht daran, befahl er sich. Sonst würde er noch einmal alles durchleben, die Schreie, das Schluchzen und Flehen und schließlich das Stöhnen, das langsam verstummte. Die Schritte, als ihm einige Hexen entkommen waren. Die anschließende Verfolgung. Sein Versagen. Und Vlads Befehl, die Geflohenen entkommen zu lassen und stattdessen den Wolf und die Kraftdiebin zu suchen. Das Paar war offenbar wichtiger, als die Hexen aus dem Weg zu räumen, die nach Rache für ihre toten Freundinnen dürsten würden.
Die Strafe dafür wartete schon auf Tucker, so viel war sicher. Eine brutale Strafe.
Bald wurde ihm klar, dass man Riley und Mary Ann in das KrankenhausSt. Mary’s brachte, in dem Mary Ann zur Welt gekommen war. Auch Aden war dort geboren worden, und Mary Anns Mutter war dort gestorben.
Nach der Ankunft wurden Riley und Mary Ann eilig ins Gebäude geschoben. Sie hatten es geschafft, sie hatten die Fahrt überlebt. Tucker stieg aus und blieb draußen im schneidenden Wind stehen. Niemand bemerkte ihn. Nicht einmal die Überwachungskameras nahmen sein Bild auf.
„Was soll ich tun?“, fragte er Vlad. Er wusste, dass der Vampir ihn hören würde.
Ein Mann in OP-Kleidung, der gerade vorbeiging, blieb stehen und sah sich stirnrunzelnd um. Wegen Tuckers Illusion sah er nur den Parkplatz für Krankenwagen und einige Menschen und Autos, die ihn überquerten.
Sie sind schwach. Jetzt ist der perfekte Moment, um zuzuschlagen, antwortete Vlad.
Vor sich hin murmelnd ging der Typ in den OP-Klamotten weiter. „Ich soll sie …“ Tucker schluckte schwer. Er brachte die Worte nicht über die Lippen. Nicht Mary Ann, schrie seine menschliche Seite. Bitte nicht Mary Ann. Nicht noch einmal.
Sie töten, ja. Beide! Und dieses Mal solltest du mich lieber nicht enttäuschen, Tucker.
„Das werde ich nicht“, sagte Tucker, während er dachte: Aber irgendwann bringe ich dich um.
Ach, habe ich dir schon gesagt, welche Strafe dich sonst erwartet? Nein? Vlad lachte grausam. Dann hole ich das jetzt nach. Ich werde deinen Bruder suchen. Und ihm das Blut aussaugen. Aber erst, nachdem ich ein bisschen mit ihm gespielt habe.
Nein. Nein! Das durfte nicht passieren. Das konnte doch nicht wahr sein.
Haben wir uns verstanden?
Sein kleiner Bruder, einer der wenigen Menschen, die er wirklich lieb hatte, war in Gefahr. Seinetwegen. Nein, dachte er wieder zähneknirschend, aber laut sagte er: „Ja, haben wir.“ Dann machte er sich an die Arbeit.
19. KAPITEL
„Wach auf. Aden, du musst aufwachen.“
Aden streckte sich
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