Hollisch verliebt
bestrafe jeden, den du mir nennst.“ Noch ein Fehler. Er hatte einen Witz machen wollen, um sie zum Lachen zu bringen, aber sie lachte nicht, und ihm wurde klar, dass er es ernst gemeint hatte. Jedem, der ihr wehgetan hatte, wollte er auch wehtun.
Er sollte lieber das Thema wechseln, bevor er Befehle brüllte, die Victoria nur aufregen würden.
Vielleicht war das die perfekte Gelegenheit, ihr zu erzählen, was er gesehen hatte. Ihre Mutter Edina hatte mit ihr weglaufen wollen, ihr Vater hatte sie erwischt, Victoria die Schuld gegeben und sie ausgepeitscht. Wäre es ihr peinlich, darüber zu sprechen? Wahrscheinlich ja. Das musste es nicht, aber es würde sie quälen, dass er davon wusste.
In der umgekehrten Situation wäre es ihm auch unangenehm gewesen. Er wollte nicht, dass Victoria ihn sah, wenn er schwach war oder am Boden lag. So wie jetzt. Er konnte es kaum ertragen, so zerschlagen und verschwollen vor ihr zu sitzen. Und er sah sicher schlimm aus, trotz des Heilschlafs. Schmerzen logen nicht.
Ihr würde es genauso gehen wie ihm. Und Vampire waren tausendmal stolzer als Menschen. Also gut. Okay. Vielleicht gehörten seine Visionen zu den Dingen, die er mit ins Grab nehmen sollte. Aber das Wissen half ihm, Victoria besser zu verstehen, und sein Respekt vor ihr war enorm gewachsen. Es wäre unsinnig gewesen, das zu verderben, indem er sie aufregte.
War das feige? Legte er sich Gründe zurecht, um sich eine unangenehme Situation zu ersparen? Manche würden das vielleicht denken, aber er sah es anders. Manchmal war Offenheit grausam und Schweigen gnädig.
So wollte er das halten.
„Hattest du Visionen von meiner Vergangenheit?“, warf er seinen Entschluss spontan über den Haufen. Damit ebnete er ihr den Weg, ihm die gleiche Frage zu stellen. Und falls sie fragte, könnte er nicht lügen.
„Nein. Darüber können wir später noch reden, in Ordnung? Ja? Ich muss dir etwas zeigen.“
„Was denn?“
„Das hier.“ Mit einer schwarzen Fernbedienung in der Hand drehte sie sich um. Als sie ein paar Knöpfe drückte, öffnete sich die Holzverkleidung über ihrem Schminktisch und gab den Blick auf einen großenFernseher frei. Nach einem bunten Flackern stand das Bild. Victoria schaltete schnell durch mehrere Programme, bis sie zu einem Nachrichtensender gelangte. „Hör dir das mal an.“
Eine Reporterin mit ernstem Gesicht stand im leichten Nieselregen unter einem Schirm. „… nennen es das Massaker der roten Roben von Tulsa“, sagte sie gerade in die Kamera. „Zehn Frauen wurden brutal ermordet. Die Polizei sucht fieberhaft nach Hinweisen, wer dieses abscheuliche Verbrechen begangen hat.“
„Tragisch“, kommentierte Aden. „Aber wieso soll ich mir das ansehen?“
Victoria schaltete den Fernseher stumm und ließ sich neben ihn auf das Bett plumpsen. „Frauen in roten Umhängen. In Tulsa. Wo Riley ist. Wo Mary Ann ist. Das waren Hexen, Aden, und bestimmt haben sie die beiden gejagt. Sie wurden mit Messerstichen getötet, also waren es weder Elfen noch Vampire oder Wölfe.“
Er ging auf das Thema ein, mit der Subtilität eines Güterzugs. „Geht es Mary Ann und Riley gut?“
Victoria rang die Hände, und als das nicht reichte, zerknüllte sie ihr Gewand. „Ich weiß es nicht. Er hat sich seit einer Weile nicht gemeldet.“
„Elijah?“
Keine Ahnung , antwortete die Seele.
Okay. Also hatte die Seele nichts Schlimmes gesehen, was immerhin deutlich besser war als die Alternative. „Wieso bist du sicher, dass keines der genannten Wesen dafür verantwortlich ist?“
„Elfen hätten kein Blut vergossen. Vampire schon, aber sie hätten jeden Tropfen davon aufgeleckt. Und bei Wölfen hätten die Wunden von Krallen gestammt, nicht von Messern.“
Mmhh, Blut …
Als ihm der Gedanke bewusst wurde, schämte er sich schrecklich.
Es hatte Tote gegeben. Sie waren auf brutale, schmerzvolle Weise gestorben, und er dachte nur an einen Snack?
„Aden“, riss Victoria ihn aus seinen Gedanken.
Richtig. Er musste etwas sagen. Kein Problem, er konnte über Mord und Totschlag ebenso locker plaudern wie über das Wetter. „Wer bleibt dann noch?“
Warte, warte, warte , meldete sich plötzlich Caleb. Einen Schritt zurück. Ich bin gerade erst wach geworden und muss mich verhört haben. Hat sie gerade gesagt, jemand hätte einen Hexenzirkel ermordet?
Victoria sprach auch, aber Aden hörte nur Caleb. Die Seele war soaufgebracht, dass sie laut wurde. „Ja“, antwortete Aden. „Tut mir leid.“
Nein.
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