Holly greift nach den Sternen
Sekunden lang nach. Sie hatte jetzt Wochen öffentlicher Demütigung durchlitten. Eine weitere halbe Stunde würde keinen großen Unterschied machen. Aber es würde beweisen, dass sie Sportgeist hatte. Das englische Publikum liebte Leute mit Sportgeist. Das wusste sie genau.
»Ich habe es gehört, Derek, aber das könnte eine tolle Chance sein, die Leute wieder auf meine Seite zu ziehen«, sagte sie entschieden.
»Aber sie wollen auch, dass du eine Rockband interviewst, die auf ihr Publikum spuckt«, sagte Derek verzweifelt. »Ich meine das wörtlich: spuckt!«
»Ich kann die Fragen vom Teleprompter ablesen«, erwiderte Holly unerschütterlich. »Darin bin ich sehr gut. Wann wollen sie mich haben?«
Das darauffolgende Schweigen verriet Dereks Niederlage, unterbrochen von einem tiefen Seufzer wegen all seiner vergeblichen Anstrengungen.
»Du sollst um halb sieben im Studio sein. Ich lass dich von einem Auto abholen, okay?«
»Oh Derek, das ist fantastisch«, zwitscherte Holly begeistert und schob den zur Hälfte geleerten Teller mit Tai-Essen zur Seite.
Dank Laura waren wieder Kurven angesagt und Holly hatte durch die ihr aufgezwungene Suppendiät sieben Pfund abgenommen. Nun lief sie Gefahr, zu dürr und damit out zu sein.
Sie würde den Teller leer essen.
»Das wird mein Schicksal total verändern, weißt du?«
»Ich weiß. Und es ist deine Beerdigung«, knurrte Derek, aber Holly hatte bereits aufgelegt, da Dereks negative Einstellung möglicherweise ansteckend sein könnte.
19
E s war wie Fahrradfahren. Oder wie wieder auf ein Pferd steigen, nachdem man runtergefallen war. Oder wie irgendeine andere bescheuerte Metapher, wenn man erneut ins Rampenlicht tritt, nachdem es einen schon aufgefressen und ausgespuckt hatte.
Bestimmt war sie deshalb so aufgeregt. Sie zitterte vor Angst, weil sie gleich in die Wohnzimmer der Nation gebeamt wurde, damit alle erneut ihr Urteil über sie fällen konnten.
Holly saß in der Maske, drückte Mr Chow Chow an ihre Brust und streichelte ihn immer wieder, als wäre das ein Beruhigungsmantra.
»Ich kann keine Lippenkonturen ziehen, wenn du nicht stillhältst«, sagte die Visagistin genervt. Sie hasste Holly bereits aus ganzem Herzen, denn sie hatte rasch losrennen und eine Haartönung kaufen müssen, um den dunklen Haaransatz abzudecken.
Holly hob die Hand. »Gib mir eine Minute, ja?«
Sie griff nach ihrer Wasserflasche und trank ein paar lange Schlucke. Und wenn sie nun pinkeln musste, wenn die Kameras auf sie zugefahren kamen? Holly überlief eine Gänsehaut und die Visagistin blähte verärgert die Nasenflügel.
»Du hast auf der Brust einen Ausschlag«, sagte sie vorwurfsvoll und klatschte Grundierung auf die anstoßerregende Hautpartie. »Ist das eine allergische Reaktion?«
Die sollte besser mal ihr Benehmen korrigieren.
»Ich bin nur etwas gestresst«, erwiderte Holly.
»Oh, das gibt sich gleich. Sie werden dich durch die Mühle drehen, aber es ist nichts Persönliches. Hinterher geht ihr was zusammen trinken und Ross wird sich entschuldigen.«
Holly war Ross schon begegnet, als sie rasch zusammen das Skript durchgegangen waren. Hinter der Kamera war er nicht ein Zehntel so hyperaktiv wie davor. Eigentlich redete er ein ziemlich hochgestochenes Englisch, so wie Prinz Charles, und wiederholte immer wieder: »Es ist nur ein Spaß, mach dir deshalb keine Sorgen.«
Genau das hätte ihr Sorgen machen sollen, besonders da sie nie den berüchtigten Sketch geprobt hatten, vor dem Derek sie so gewarnt hatte.
»So, jetzt bist du fertig«, verkündete die Visagistin gleichgültig. »Ich hab es so gut gemacht, wie ich konnte.«
Holly betrachtete sich desinteressiert im Spiegel. Ihre Haut war immer noch fleckig, als ob sie einen schlimmen Ausschlag hätte, und dieser rosa Perlmuttglanz-Lippenstift …
»Könnte ich bitte etwas dunklere Lippen haben? Vielleicht irgendeine Beerenfarbe? Ich bin momentan mehr ein Herbstals ein Sommertyp.«
Mit einer Miene, als wollte sie sie irgendwohin rammen, wo es schrecklich wehtäte, schnappte sich die Visagistin eine Tube.
»Starallüren«, murrte sie vor sich hin.
Aber in dem Augenblick, als Holly die Bühne betrat und die Hitze der gleißenden Scheinwerfer spürte, wurde sie ganz ruhig. Dann blickte sie auf und sah, wie Hunderte von Augenpaaren sie anstarrten.
»Mir hat niemand gesagt, dass das eine Liveshow ist«, zischte sie in ihr Mikro. »Ich dachte, die Lacher würden eingeblendet.«
»Noch dreißig Sekunden«, kam
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