Holly greift nach den Sternen
eine genervte Stimme. »Ross, wo zum Teufel bist du? Schwing sofort deinen Arsch auf die Bühne.«
Holly zuckte zusammen, als Ross auf die Bühne sprang und das Publikum in stürmischen Applaus ausbrach.
»Zehn Sekunden, und los mit dem Teleprompter, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei und eins. Holly!«
Holly wandte sich der rechten Kamera zu und grinste, als liefe bei ihr alles superbestens: »Hi, ich bin Holly Harlow, das meistgehasste Mädchen in ganz England und das ist...«
»Ich bin Ross Thomas, der ›begehrteste Mann im Sonnensystem‹. Ich will mit euch allen einen Riesenspaß haben, ganz ohne Tabus, damit wir garantiert alle auf unsere Kosten kommen«, schnurrte Ross und wackelte mit den Ellenbogen und Fingern. »Zunächst stelle ich euch die Gäste des heutigen Abends vor...«
Holly bewegte sich wie ferngesteuert über die Bühne und moderierte eine Talkrunde zum Thema, warum Hundekacke sich im Sommer manchmal weiß färbt. Sie kündigte den Liveauftritt der total hässlichen, haarigen Rockgruppe an, vor der Derek sie gewarnt hatte (obwohl die Jungs ihr vorhin beim Kennenlernen hinter der Bühne ganz harmlos erschienen waren), und brachte den Sketch hinter sich, der ihre Professionalität auf eine harte Probe stellte.
Er basierte auf der Kurzmeldung, dass sie total flachbrüstig wäre. Offensichtlich hätten ihre fehlenden Brüste Heteros in Schwule verwandelt.
Ross Thomas hatte zwei winzige, flache Titten vor seine Brust gebunden, die wie Spiegeleier aussahen, während Holly ein XXL-T-Shirt mit dem Aufdruck »Ich bin die einzige Lesbe in Hollywood« trug. Dazu las sie vom Teleprompter: »Na, wenn schon keine Titten für mich drin waren, kann ich ja genauso gut Lesbe werden.«
So ging es noch quälende drei Minuten weiter, aber Holly kümmerte das nicht, weil sie schon längst vor Scham gestorben und in die Hölle gekommen war.
»Hat sie nicht Sportgeist, Leute?«, fragte Ross am Ende des Sketches und wirbelte Holly in einer Monsterumarmung durch die Luft, wobei sie sich verzweifelt an seiner Schulter festkrallte. »Sie ist vielleicht das meistgehasste Mädchen in England, aber ich liebe sie. Jetzt lasst was hören oder ich bringe jeden Einzelnen von euch um.«
Holly hatte nicht gewusst, dass sich Applaus so widerstrebend und halbherzig anhören konnte. Vereinzeltes Klatschen und ein einziger Pfiff waren zu hören, bevor die Werbeunterbrechung kam.
»Okay, du kannst mich wieder runterlassen«, sagte sie, aber ihre Füße hatten den Boden kaum berührt, als ein Studiotyp angelaufen kam.
»Du willst doch nicht schon gehen?« Er wedelte begeistert mit den Händen. »Du warst super. Alle am Set fanden dich klasse. Du bleibst doch?«
Ross und der Typ beobachteten sie ängstlich, als würde sie sich gleich schlechter als Candy Careless benehmen.
Nie und nimmer.
»Ich habe noch nie im Leben einen Job hingeschmissen«, teilte sie ihnen gereizt mit. Hielten die sie vielleicht für eine dusselige Amateurin?
»Gut, gut. Dann ab in die Maske, damit dein Gesicht nicht so glänzt«, sagte der Studiotyp hastig und schob Holly von der Bühne. Er blieb bei ihr, bis sie wieder vor der Kamera stand, um gleich einen Wettbewerb zwischen Studiogästen zu moderieren, denen bei der Aussicht, einen Kurzaufenthalt in einem scheußlichen Feriencamp in Nordengland zu gewinnen, ganz schwindlig vor Freude war.
Das Interview mit der Rockband Wolfsbrut sollte direkt vor der zweiten Werbeunterbrechung stattfinden. Als die Jungs schwerfällig zu dem weichen Sofa trampelten, auf dem Holly saß, verschlug ihr der Bierdunst, der aus den Rockerporen aufstieg, fast den Atem. Jetzt hätte sie zur Aufmunterung ein Gläschen Champagner gebrauchen können, aber so was gab es hier leider nicht. Stattdessen schüttelte sie alle Pranken, als die Jungs sich setzten, und warf einen raschen Blick auf den Teleprompter.
»Sie haben euch vorhin ihre neue Single Jailbait Rock vorgestellt und sie werden am Ende der Show noch mal spielen, aber zuerst werden die Bandmitglieder von Wolfsbrut ein paar Fragen beantworten, die uns Zuschauer gesimst haben.«
Die Bandmitglieder stießen sich gegenseitig in die Rippen und kicherten blöd, während Holly tapfer weitermachte.
»Okay, unsere erste Frage ist von Gary aus Norwich: ›Wen aus dem Musikbusiness könntet ihr in einem Kampf besiegen? ‹«
Holly fand, dass sie das dem Publikum etwas erläutern sollte. »Nicht dass Gewalt je eine Lösung wäre. Aber, Jungs, bei wem sehnt ihr euch nach
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