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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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hart, und das ärgerte sie. Sie war nicht
    schreckhaft. Sonst nicht. Außerdem hatte sie sich dilettantisch verhalten.
    Wenn wirklich ein Einbrecher in der Wohnung gewesen wäre, hätte sie zu
    Schaden kommen können. Richtiger wäre es gewesen, sich zurückzuziehen,
    Verstärkung zu holen und zu warten.
    Sie hatte Hunger. Einen ganz gewaltigen Hunger.
    Nicht, daß ihr das nennenswert zu schaffen gemacht hätte; sie konnte sich
    kaum erinnern, wann sie zuletzt Appetit verspürt hatte. Jetzt aber spürte sie
    ein wütendes Bohren im Zwerchfell, und ihr fiel ein, daß sie seit dem frühen
    Morgen nur zwei trockene Brotscheiben mit Krankenhauskäse gegessen hatte.
    »Was hast du denn gekocht?« fragte sie und versuchte zu lächeln.
    »Etwas Leckeres.«
    »Du kochst immer leckere Sachen.«
    Hanne setzte sich an den Küchentisch. Ein Stechen im Nacken veranlaßte sie
    dazu, den Kopf hin und her zu bewegen. Der Tisch war schön gedeckt, mit dem
    Silber, das Cecilie von ihrer Großmutter geerbt hatte, und zwei Kerzenhaltern,
    an die Hanne sich nur vage erinnerte. Die Serviette vor ihr war kunstvoll
    zusammengefaltet.
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    »Die sieht aus wie ein Schwan«, sagte sie leise und schnitt eine Grimasse, weil
    sie Kopfschmerzen heraufziehen fühlte. »Du bist lieb, Häkon.«
    »Ich bin nicht lieb«, sagte er und legte den Kochlöffel weg. »Ich habe dich lieb.
    Das ist etwas ganz anderes. Jetzt ißt du ein bißchen, und dann massier ich dir
    den Nacken.«
    Er zeigte mit einem Quirl auf sie, dann machte er sich damit rasch und geübt
    im Soßentopf ans Werk.
    »Und danach schläfst du. Ohne Wecker. Was macht der Halvorsrud-Fall?«
    Hanne atmete schwer. Eine fremde Wärme breitete sich in ihrem Körper aus.
    Sie streifte die Jacke ab, blieb dann still sitzen und fragte sich, wie sie sich eigentlich fühlte. Sie griff zum Wasserkrug und goß sich ein Glas ein. Ihre
    Hand zitterte leicht, und sie kleckerte. Dann ging ihr auf, daß sie sich über den Besuch freute. Sie hatte Hunger, und bald würde es etwas zu essen geben. Sie
    hatte Kopfschmerzen und würde massiert werden. Sie war zum Umfallen
    müde und würde vielleicht nicht allein schlafen müssen.
    »Bleibst du heute nacht hier?« fragte sie ins Leere hinein.
    »Wenn du willst«, sagte Häkon lässig. »Auf jeden Fall kann ich hierbleiben,
    bis du eingeschlafen bist.«
    Sie aßen schweigend.
    Hanne verzehrte wortlos vier Portionen Heilbutt mit Ingwersoße. Als sie dann
    endlich unwillig Messer und Gabel weglegte und widerwillig den Schwan
    demontierte, um sich den Mund zu wischen, schaute sie Häkon an und sagte:
    »Irgend etwas an diesem Stäle Salvesen macht mir zu schaffen.«
    Häkon gab keine Antwort. Er nahm ihr den Teller weg, wischte sich die Hände
    an einer schmuddeligen Schürze ab und trat hinter ihren Stuhl.
    »Zieh dein Hemd aus«, sagte er dann.
    Seine Hände fühlten sich auf ihren nackten Schultern
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    feuerheiß an. Sie schauderte leicht und schloß die Augen. Seine Daumen
    drückten auf zwei wehe Punkte unterhalb der Schulterblätter, und sogleich
    sträubten sich ihre Nackenhaare. Sie stöhnte leise und ausgiebig.
    »Etwas mit seiner Wohnung«, flüsterte sie atemlos. »Etwas, das ich gesehen
    habe. Oder vielleicht gefunden. Oder nicht gefunden. Mir fällt nur nicht ein,
    was es war.«
    »Vergiß es«, sagte er leise. »Vergiß es für heute nacht.«
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    Es war Sonntag, der 18. März, und an diesem Abend fühlte Hausmeister
    Karisen sich ziemlich mies. Er hatte am Vorabend beim Schnaps ein wenig zu
    sehr zugelangt. Karisen war nichts Stärkeres gewöhnt als ab und zu einen
    Schuß in den Kaffee. Purer Schnaps war zuviel für ihn. Er war ja schließlich
    nicht mehr der Jüngste. Zu Kriegszeiten, auf Landurlaub in Amerika, war es
    manchmal richtig heiß hergegangen. Aber jetzt nicht mehr. Jetzt nahm er nur
    einen Tropfen, wenn es in seinen Träumen gar zu sehr von Wölfen mit
    deutschen Helmen wimmelte und der Schlaf sich nicht wieder einstellen
    wollte.
    Hausmeister Karisen betrauerte seinen Freund Stäle Salvesen.
    Und wenn er ehrlich sein wollte, dann ärgerte er sich auch ein wenig. Wenn
    sein Kumpel vorgehabt hatte, dieses irdische Jammertal zu verlassen — was
    Karisen gut verstehen konnte, so, wie die verdammte Obrigkeit mit ihm umge-
    sprungen war — dann hätte er ja wohl irgendein Signal geben können. Eine
    Art Abschiedsgruß. Karisen sah ja ein, daß der Mann ihm nicht von seiner
    düsteren Absicht hätte erzählen können - dann hätte der

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