Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
»So viele gehen zu
Sultan in der Thorvald Meyers gate.«
Er verzog traurig das Gesicht und schnalzte leicht mit der Zunge.
»Alle wollen zu Sultan, wissen Sie. Aber nicht Hanna. Sie kommt zu Özdemir
Import. Immer, wissen Sie.«
»Ich kann noch einen Stuhl holen«, sagte Karianne Hol
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beck und versuchte, sich an Hanne Wilhelmsen vorbeizudrängen.
»Nein, das kann ich selber. Nimm schon mal die Personalien auf.«
Schon nach einer knappen Minute war sie wieder da.
»Ich habe gehört, du hattest im vergangenen Herbst einen spannenden
Anruf«, sagte sie und setzte sich. »Erzähl doch mal davon.«
Karianne Holbeck fühlte sich überfahren. Und war beleidigt. Daß die
Hauptkommissarin einfach ins Zimmer gekommen war, ohne auch nur kurz
anzuklopfen, war das eine. Schlimmer war, daß sie jetzt offenbar die
Vernehmung leiten wollte. Nicht, indem sie selbst die Verantwortung
übernahm; es war deutlich, daß Hanne Wilhelmsen nicht eine Zeile des
Berichts schreiben wollte, zu dem dieses Gespräch notwendigerweise führen
mußte. Denn dann hätte sie das Verhör in ihr Büro und zu ihrem eigenen
Computer verlegt. Karianne Holbeck hätte die Hauptkommissarin gern
weggeschickt. Aber sie holte eine weitere Tasse und schenkte ein, ehe sie sie
vor Hanne Wilhelmsen hinstellte.
Mustafa Özdemir begann mit seinem Bericht.
Seine Stimme klang jetzt ruhiger. Nach seinen einleitenden Elogen über
Hanne Wilhelmsens Vortrefflichkeiten hatte Karianne Holbeck ihn als
redseligen und aufdringlichen Türken eingestuft. Jetzt war er ein ganz
anderer. Die braunen Augen unter den geraden, breiten Augenbrauen hielten
die ganze Zeit Blickkontakt mit einer der beiden Polizistinnen. Die Geschichte
seiner Steuerprobleme wurde flüssig, klar und glaubhaft erzählt. Nach einer
Rechnungsprüfung waren Mustafa Özdemir mangelhafte Buchführung und
Steuerhinterziehung vorgeworfen worden. Er selbst hatte geglaubt, alles
beruhe auf einem lästigen Mißverständnis. Er hatte sich sofort an einen
Anwalt gewandt, und fünf Monate später waren die Ermittlungen ein
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gestellt worden. Das Problem war, daß sein Fall in einem Artikel in VG
erwähnt worden war. Darin wurde über unsaubere Methoden in den
inzwischen so beliebten und von Einwanderern betriebenen Gemüseläden
berichtet und dabei Özdemir Import namentlich genannt. Darunter hatte
natürlich der Umsatz gelitten. Und die Schadenersatzklage, die er gegen die
Zeitung angestrengt hatte, schien nicht von der Stelle zu kommen.
»Aber vorher«, sagte er endlich und nahm sich eine Pastille aus einer
Schachtel, die er dann seinen Gesprächspartnerinnen anbot, »ehe der Fall
erledigt war, rief dieser Sigurd Halvorsröd an. Eines Abends, meine Frau war
am Telefon. Sie mußte mich erst suchen. Ich war im Lager, wissen Sie. Er
sagte, er könnte alles in Ordnung bringen.«
»Und er hat sich vorgestellt«, sagte Hanne Wilhelmsen langsam und schielte
zu ihrer Kollegin hinüber. »Mit vollem Namen.«
»Ja, ja«, beharrte Özdemir und fischte einen zusammengefalteten Zettel aus
seiner Hosentasche. »Hier seht ihr. Ich habe den Namen aufgeschrieben.«
»Sigurd Halvorsröd«, stand auf dem Zettel. Hanne hielt ihn zwischen
Zeigefinger und Daumen und lutschte schmatzend ihre Pastille.
»Und dann«, fragte sie leicht nuschelnd. »Was ist dann passiert?«
Özdemir setzte sich anders hin und schlug das rechte Bein über das linke.
Dann legte er die Fingerspitzen aneinander. Seine Hände bildeten ein
Indianerzelt. Zum ersten Mal sah er keine der beiden an. Statt dessen
betrachtete er einen Punkt zwischen den beiden Polizistinnen und sprach erst
nach mehreren Sekunden weiter.
»Der erste Anruf war am 10. November«, sagte er langsam. »Das war ein. . .
Dienstag, stimmt das?«
Karianne Holbeck drehte sich um und schaute auf einen
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Übersichtskalender des vergangenen Jahres, der hinter ihr an der Wand hing.
»Mm«, sie nickte. »Dienstag, der 10. November 1998.«
»Ich hab damals nicht viel verstanden, wissen Sie.«
Er sprach jetzt sehr viel langsamer, als durchsuche er seine Erinnerung und
wolle nicht zuviel verraten.
»Dann sagte ich naja und so, und ich müßte mir das überlegen, ich. . . «
Er legte den Kopf schräg, und Hanne hätte schwören können, daß seine
dunkle Haut ein wenig errötete.
»Ich war ziemlich verzweifelt über das Ganze, mußt du wissen. Norwegische
Polizei und wir Ausländer. . . «
Er zuckte mit den Schultern und schaute Hanne
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