Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
Wilhelmsen vielsagend an. Sie
lächelte kurz und ohne einen Blick zu ihrer Kollegin.
»Alles klar«, sagte sie kurz. »Du hattest also ein bißchen Lust dazu, mit
anderen Worten.«
»Ich war aber nicht ganz sicher, was dieser Mann eigentlich meinte«, sagte
Özdemir und schüttelte den Kopf. »Er war nicht. . . nicht ganz deutlich.
Verstehst du?«
Wieder nickte Hanne Wilhelmsen.
»Hat er überhaupt von Geld gesprochen? Gesagt, daß du bezahlen solltest?«
»Nein. . . eigentlich nicht. Aber ich habe es doch begriffen, weißt du. Nein. . . «
Mustafa Özdemir ließ seinen Blick resigniert von einer zur anderen wandern.
»Es wäre viel besser, wenn ich genau sagen könnte, was der Mann gesagt hat.
Aber es ist so lange her, weißt du. Ich weiß es nicht mehr so gut, aber ich habe begriffen, daß ich ihm Geld geben könnte, und dann würde mein Fall verschwinden. Aufgestellt werden. Nein, eingestellt, meine ich.«
Özdemir kratzte sich im Nacken.
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»Meine Frau fragte, wer das war, weißt du. Ihr hatte seine Stimme nicht
gefallen. Und sie hat mich schrecklich ausgeschimpft, als ich gesagt habe, daß
er vielleicht helfen könnte.«
»Aber haben Sie etwas verabredet?« Karianne Holbeck meldete sich zum
ersten Mal während dieser Vernehmung zu Wort. »Hat er Ihnen eine Nummer
gegeben, die Sie anrufen könnten?«
»Nein, er wollte mich wieder anrufen.«
»Und hat er das getan?« fragte Hanne Wilhelmsen.
»Ja. Zwei Tage später. Wieder abends. Er wußte sicher, daß wir den Laden
lange offen halten. Ich und meine Frau, weißt du, wir sind fast immer im
Laden. Und auch meine Tochter. Du kennst ja Sophia, Hanna. Sie hat das
Wirtschaftsgymnasium besucht.«
Ein weicher Zug breitete sich über sein Gesicht, als er seine Tochter erwähnte.
Hanne wußte, daß Mustafa nur ein Kind hatte, diese zwanzigjährige Tochter.
Warum Sophia ein Einzelkind war, konnte sie nicht sagen, aber die junge Frau
wurde von ihren Eltern um so heißer geliebt und leider auch gar zu sehr
beschützt. Hanne wußte, daß sie gern Medizin studieren wollte, daß der Vater
jedoch forderte, sie müsse warten, bis sie fünfundzwanzig wäre. Sophia
besuchte Abendkurse, um die Fächer nachzuholen, die sie für das Studium
vorweisen mußte. Ihr Vater stand dreimal die Woche treu vor dem
Privatgymnasium Bjorknes, um sie nach Hause zu bringen.
»Und was hat er diesmal gesagt?«
»Nicht sehr viel. Dasselbe wie beim ersten Mal. Aber diesmal war ich sehr
stark und klar. Kommt nicht in Frage, habe ich gesagt. Er war. . . höflich.
Wurde nicht sauer oder so. Sagte nur auf Wiedersehen. Danach habe ich nie
wieder von ihm gehört. Aber. . . «
Er lächelte breit, und unter seinem Schnurrbart kamen seine weißen,
ebenmäßigen Zähne zum Vorschein.
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»Aber ich hatte ja einen guten Anwalt, weißt du. Der hat Ordnung geschaffen,
und alles war gut.«
Hanne Wilhelmsen schloß die Augen.
»Ich möchte dich um einen großen Gefallen bitten, Mustafa. Wenn du nicht
willst. . . wenn dir das unangenehm ist oder so, dann sag einfach Bescheid. Du
mußt das wirklich nicht machen.«
Sie riß plötzlich die Augen auf und starrte den Mann im großkarierten, engen
Sakko an.
»Für meine Hanna kann ich alles tun.«
»Also«, sagte Hanne. »Es ist nicht so sehr für mich, sondern für die Polizei.
Würdest du uns erlauben, die Telefongesellschaft um eine Liste aller
Nummern zu bitten, die dich an den aktuellen Tagen angerufen haben? Ich
weiß nicht einmal, ob es technisch möglich ist, aber auf jeden Fall brauchen
wir dein Einverständnis.«
Mustafa Özdemir zögerte eine knappe Sekunde. Dann lachte er kurz.
»Von mir aus«, sagte er. »Ich habe nichts zu verbergen, weißt du.«
»Dann schreib das auf«, sagte Hanne zu Karianne und erhob sich. »Und stell
eine Vollmacht aus, die wir Telenor vorlegen können.«
Sie hielt Mustafa Özdemir ihre Hand hin, und der sprang vom Stuhl hoch und
umschloß sie mit seinen beiden.
»Danke, daß du dich gemeldet hast«, sagte Hanne Wilhelmsen.
»Du mußt bald zu mir kommen«, erwiderte er herzlich. »Bring deine schöne
Freundin mit, dann bekommst du wunderbare Tomaten, die meine Frau in
unserem Badezimmer gezogen hat.«
»Und auch dir vielen Dank«, sagte Hanne zu Karianne Holbeck, ehe sie das
Zimmer verließ. »Nett von dir, die Papierarbeit zu übernehmen.«
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»So ein kleiner Dank hilft immerhin ein wenig«, flüsterte Karianne fast lautlos
und nickte kurz, als die Tür
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