Holunderblut
wie ich Ihnen helfen kann.« Und mit einem Kugelschreiber und einem Notizbuch bewaffnet hat sich die Katharina dann die Geschichte vom Altmann ein drittes Mal angehört, diesmal von der Noch-Ehefrau, und wieder hat das Ganze ein wenig anders geklungen. Durchaus interessant, wie subjektiv Wahrnehmungen sein können. Ein jeder hat nun mal seine eigene Realität.
Bei der Noch-Ehefrau ist die Geschichte in etwa so gegangen: Der Thomas hat zeit seines Lebens zwei Passionen gepflegt, nämlich Autos und Frauen. Beides natürlich auch während seiner Ehe. Dann haben er und die Clara vor circa zwei Jahren einvernehmlich beschlossen, sich zu trennen, denn die Frauen-Passion hat sie sich nicht mehr länger mit ansehen können. Der Thomas hat von sich aus nach einem neuen Haus gesucht, und der Hafner Andi hat ihm dann sein kleines Häusl vermietet, ein wenig außerhalb von Weil. Aha, hat die Katharina sich an dieser Stelle gedacht, das hat der Hafner Andi ihr nicht erzählt, dass er noch ein Häusl hat und der Thomas sein Mieter ist. Jedes zweite Wochenende hat der Thomas den Django bei sich in Weil, manchmal tauschen die Eltern ein Wochenende, weil die Clara als Galeristin hin und wieder Vernissagen in München besucht. Gesichtspflege halt.
»Am Sonntag, das war der 26. Juli, hat er mir den Django abends nach Süchting gefahren. Normalerweise hole ich ihn immer ab, aber an dem Tag war ich ein wenig knapp dran, und Thomas war ohnehin unterwegs. Samstag waren sie noch beim Segeln gewesen. Er hat ein Boot am Chiemsee, wissen Sie. Wir haben ein paar Worte gewechselt, ein Glas Wein getrunken, dann ist er wiedergefahren, das muss so um 21 Uhr gewesen sein. Ja und danach hab ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Ich dachte, Herrn Altmanns Jaguars sind um diese Zeit herum in der Werkstatt vom Hafner zur Reparatur gewesen. Welchen hat er denn benutzt an dem Wochenende?« Die Katharina war so aufmerksam, dass sie gleich mitgerechnet hat. Seit viereinhalb Wochen ist der weiße Alltagsjaguar mit dem Namen Sabine ja schon auf dem Tandlerhof rumgestanden, laut dem Hafner seiner Aussage. Neben der goldenen Clara und der schwarzen Anna.
»Ja seinen Wochenendjaguar, den silberfarbenen XKR.«
»Autohaus Hafner, Lorenz am Apparat!«, hat sich eine kracherte Sekretärinnenstimme gemeldet.
Weil kaum dass die Altmann Clara sich verabschiedet gehabt hat, um den Django aus der Vorschule abzuholen, hat die Katharina beim Tandler angerufen. Jetzt wollte sie schon gerne wissen, wie viele Jaguars bei der Altmann-Geschichte noch so im Spiel waren. Wenn das einer weiß, da war sich die Katharina sicher, dann der Hafner. Baujahr und Kilometerstand inklusive, und Frauennamen obendrein.
»Polizeihauptkommissarin Berger, Polizeiinspektion Weil. Frau Lorenz, griaß Eana. I daad gern den Herrn Hafner sprecha.«
»Der Chef is grad im Mittag. Kann i eam was ausrichten?«
»Ja, bitte, er soj mi umgehend zruckruafa.« Und sie hat gleich ihre Handynummer hinterlassen, weil beim Wort Mittag hat die Katharina einen Hunger verspürt und beschlossen, sich etwas beim Harlander Vitus zu holen, weil die Leberkassemmeln eigentlich doch unvergleichlich gutschmecken, wenn du vorher ein Vierteljahr durchgehend Antipasti, Nudeln und Fisch in Italien gegessen hast.
Sie hat den Hansi herkommandiert, damit er ihr die Pforte macht, weil sie dringend auf einen Außentermin muss, hat sie gesagt. Und der Hansi hat im Grunde ja auch ganz gern Pforte gemacht, weil oft ist da nichts los, und da klinkt er sich mit dem Laptop ins Internet und schaut sich seine Traummotorräder an, also vor allem schaut er BM W-Motorräder an, und da vor allem die K 1300 R, weil wenn du was haben willst und es dir aufgrund deiner schwachen Finanzlage vermutlich nie anschaffen können wirst, dann ist das ein Traum. Mit fünfundzwanzig darf man da ruhig noch vor sich hin träumen. Man weiß ja nie. Der Brunner war nicht da, und die Rangnächste war jetzt die Katharina, da hat der Hansi die Order von ihr akzeptiert, er war ja ein recht ein folgsamer junger Mann.
Jetzt ist die Katharina also raus auf den Parkplatz und in ihren Golf gestiegen, hat ewig vorglühen lassen, beim dritten Mal Orgeln ist er aber angesprungen, war ja auch warm draußen. Sie ist schnell beim Metzger Harlander vorbeigefahren, um sich eine Brotzeit für
on the road
zu holen, obwohl der Metzger nur vier Häuser weiter war, aber wenn man sowieso schon im Auto sitzt, ist es auch schon egal. Sie hat direkt auf der Hauptstraße
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