Holunderblut
in ihrer Uniform und in ihrem Erbrochenen, und so schnell hat noch nie einer den Doktor Lechner, Allgemeinarzt in Weil, und den Notarzt in Mühldorf alarmiert wie der Allmandinger Peter, der sein Handyimmer dabeigehabt hat, weil wenn du im Stall arbeitest, dann hörst du das Telefon im Haus natürlich überhaupt nicht.
Und dann ist er in die Knie gegangen in seiner blauen Stallhose, und wenn einer im Kuhmist aufgewachsen ist, dann schert er sich auch nicht um Erbrochenes, und schon zweimal nicht, wenn die Frau seiner Träume da wie tot vor ihm liegt. Er hat sie ein bisschen sauber gemacht mit seiner Jacke, das Gesicht und die Haare, und sie in den Arm genommen und geschaut, ob sie noch atmet. Ganz flach hat sie geatmet. Viel Ahnung von Erster Hilfe hat der Peter zwar nicht mehr gehabt, der Führerschein war schon zu lange her. Aber aufrecht gehalten bleiben einem die Atemwege frei, und so hat er sie im Arm gehalten, bis der Dr. Lechner gekommen ist, zweieinhalb Minuten hat er gebraucht, und sieben Minuten später der Notarzt aus Mühldorf, und die haben sich um die Katharina gekümmert, aber der Peter ist trotzdem mitgefahren mit dem Doktor Lechner, hinter dem Krankenwagen her, damit er das Krankenhaus in Mühldorf bei Bedarf wiederfindet.
Dort haben sie bei der Katharina eine schwere Lebensmittelvergiftung diagnostiziert, Brechdurchfälle inklusive, aber mit Infusionen bekämen sie das in den Griff, drei Tage Minimum.
Der Dr. Lechner hat den Peter danach wieder zurückgefahren zum Allmandinger-Hof und ihn gelobt für seine Erste-Hilfe-Aktion wie einen kleinen Buben, was dem Peter ein bisschen gestunken hat. Lob ist schön und gut, im Prinzip. Aber bloß, weil einer leise und schüchtern ist und mit dem Leben als Landwirt voll und ganz zufrieden, heißt das ja noch lange nicht, dass er minderbemittelt ist.Eine Erste-Hilfe-Aktion war es ja auch nicht
nur
gewesen, eigentlich mehr so ein Liebesdienst. Aber das hat der Peter dann doch für sich behalten.
Ins Bett ist er erst gegen zwei, viel zu spät für einen Landwirt, der kurz nach vier wieder rausmuss. Zuerst hat er nämlich noch der Kathi ihre Pistole weggeräumt, ihr Haus geputzt, ihre Uniform, die sie ihm im Krankenhaus mitgegeben haben, in die Waschmaschine von seiner Mutter gesteckt, damit sie die mitwäscht, und Auto und Austragshäusl sorgfältig zugesperrt.
Die Henne Berta hat er auch noch gefunden, quicklebendig hat sie es sich in der Katharina ihrer Küche bequem gemacht, unter der Eckbank auf den Zeitungen, und ein Ei ist auch noch dagelegen. Das hat der Peter der Kathi auf einem Küchentuch mitten auf den Tisch drapiert. Ganz gerührt war er über die abendliche Leistung der Ausreißerhenne, die der Kathi auf ihre eigene Weise auch einen Liebesbeweis erbracht hat sozusagen.
Und dann ist er rüber in den alten Hof, noch schnell duschen und ab ins Bett. Schlafen hat er dann aber trotz bleierner Müdigkeit nicht gleich können, vor lauter Sorge um die Kathi.
Aber von all dem hat die Katharina nicht das Geringste mitbekommen, die Gnade der Bewusstlosigkeit. Ganz lange hat sie dann geschlafen.
Als sie die Augen wieder aufgeschlagen und vor sich eine weiße Wand erblickt hat mit einem Kruzifix dran, hat sie ganz kurz ein grauenhaftes Déjà-vu gehabt. Schlecht war ihr, einen trockenen Mund und ganz aufgerissene Lippen hat sie gehabt, und schrecklich schwach hat sie sich auch gefühlt. Im linken Handrücken hat eine Kanüle gesteckt,und mit der rechten Hand hat sie vorsichtig nach ihrem Bauch getastet, der zwar irgendwie geschmerzt hat, aber nicht so wie im Sommer nach dem Bauchschuss, und es war auch kein Verband da. Und auch kein Hauch vom Meer, sondern der schwache Geruch von Stadtabgasen und Rosskastanien, der durch das gekippte Fenster hereingeweht ist.
Und als eine Krankenschwester an ihr Bett getreten ist und sie quasi niederbairisch angesprochen hat, da war das Déjà-vu weg und dann kurz der Gedanke da, dass sie nicht mehr dazugekommen ist, ihren Matteo zurückzurufen.
»Wia geht’s uns denn heit?«, hat die Krankenschwester gefragt, während sie den Zugang der Infusion geprüft hat, Natriumchlorid und irgendein Antibiotikum.
»Wo bin ich?«, hat die Katharina gefragt und ihre raue Stimme fast nicht wiedererkannt.
»In Mujdorf im Krangahaus.«
Die Katharina hat versucht, sich aufzurichten, aber die Krankenschwester hat sie sanft davon abgehalten. »Naa, Sie bleibn mir ganz brav liegn und ruan Eana aus, Frau Berger. Sooo is’s
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