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Holunderblut

Holunderblut

Titel: Holunderblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Brinkmann
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und ein zusammengeknülltes Papiertaschentuch. Die Katharina hat die beiden Zigarettenkippen aus dem Aschenbecher in das alte Taschentuch gewickelt und eingesteckt.
    Dann hat sie noch den Gurt, an dem der Kindersitz befestigt war, ein wenig gelockert und einen Zettel darunter hervorgezogen, irgendeine Quittung von einem Segelausstatter aus Prien, auf dem etwas drauf war, was genausoausgesehen hat wie die falschen Hollerbeerflecken auf dem weißen Jaguar. Sie hat alles rasch in die Hosentasche gesteckt, weil der Hafner auf einmal ein bisschen gedrängt hat, dass er am Abend noch einen Termin hätte. Aber die Katharina hat eher vermutet, dass er sie loshaben wollte, weil es ihm plötzlich unangenehm war, dass sie wieder auf Polizeibeamtin gemacht hat. Abend war ja schon.
    Hinten auf der schmalen Rückbank war alles tadellos sauber und leer. Im Kofferraum ein zusammengeklapptes Warndreieck, ein ganz altes allerdings, und eine zerrissene Persenning, von dem Altmann seinem Segelschiff wahrscheinlich, hat die Katharina sich gedacht. Ein bisschen vergraut und marode, aber nichts zu sehen auf oder unter der Persenning. Das Nummernschild an dem XKR hat mit AÖ angefangen, wie auch die Nummernschilder der drei anderen Jaguars, da ist die Katharina davon ausgegangen, dass der Altmann noch immer in Süchting, Kreis Altötting, gemeldet war.
    Dann war sie so weit fertig und ist mit dem Hafner nach Weil gefahren, in einem seiner Werkstattwagen, einem dunklen BMW mit so einem roten 06er-Wechselkennzeichen dran, und ihr ist noch aufgefallen, dass Halling, wie Weil, tatsächlich zu MÜ gehört, aber gefühlsmäßig hätte sie AÖ gesagt.
     
    Dem Altmann Thomas sein Zuhause war ein wunderschönes altes Sacherl mit einem hübschen Garten drum herum, von weiten Feldern und hohen Obstbäumen umgeben. Die nächsten Häuser waren zwar in Sichtweite, aber nicht so nah, dass jemand, der aus einem der Nachbarhäuser herausgeschaut hätte, irgendetwas von dem hätte sehen können, was da vor sich gegangen ist um halb neun Uhrabends am 24.   August, also als der Hafner in der Auffahrt vor der Duplexgarage vom Altmann geparkt hat.
    Es war noch hell und immer noch so warm, dass die Katharina sich kurz überlegt hat, anschließend noch in irgendeinen Weiher zu springen, so, wie sie das als junges Mädchen immer gern gemacht hat bei Sonnenuntergang im Hochsommer, von Staunzen umschwirrt, im schlammigen Moorwasser. Aber im Moment hat das Altmannhaus Priorität gehabt.
    Das Licht haben sie nicht angemacht, es ist auch noch so gegangen. Im entkernten Erdgeschoss alles offen, Küche, Wohn- und Esszimmer waren eins. Bulthaupt, Edelstahl und Edelholz, so weit das Auge reicht, und alles blitzblank und sauber, zweimal die Woche ist die Putzfrau gekommen. Namen und Adresse von ihr hat sich die Katharina gleich geben lassen. Im Obergeschoss eine Art Arbeitszimmer, aber kein Computer drin und gar nichts, nur ein paar Ordner und Kunstbücher in den Regalen. Ein spartanisches Kinderzimmer voller futuristischer Lego-Modelle, aber nicht wirklich bespielt, viel zu ordentlich, kein Lego-Atom auf dem Fußboden, mehr so was wie das Museum eines Bastlers und Sammlers, und so staubfrei wie das Prüflabor eines Chipherstellers. Das Bett war gemacht, auf dem Bezug waren Weltraummonster drauf. Ebenso akkurat gemacht war das Bett im Schlafzimmer, einssechzig breit, Luxus für einen alleine, ein Nachttisch ohne was Persönlichem drauf, nicht einmal ein Buch oder Wecker, nur eine Designerlampe. Im Kleiderschrank ein paar Anzüge und Segelstricke. Alles so dermaßen aufgeräumt, dass man hätte vermuten können, dass da gar keiner wohnt. Aber logisch, wenn die Putzfrau seit dem Verschwinden vom Altmann achtmal da gewesen ist.
    Und dann ist die Katharina wieder zurückgefahren mit dem Hafner, nach Halling, wo ihr Golf gestanden ist.
    Der Hafner hat während der 10   Minuten Fahrt, die er gebraucht hat, ein bisschen was aus seinem Leben erzählt, Autogeschichten vor allem, und über die Oldtimertreffen mit dem Altmann, aber immer noch hat die Katharina kein Bild vom Altmann im Kopf gehabt, und da ist ihr gekommen: In dem Haus sind nirgendwo Bilder zu sehen gewesen, nicht einmal vom Altmann seinem Sohn, dem Django, was komisch ist bei einem, der sein Kind vergöttert, da erwartet man doch gerahmte Großabzüge.
    »Hätten Sie vielleicht a Foto vom Altmann Thomas?«, hat die Katharina beim Aussteigen auf dem Hafner seinem Hof gefragt. Der hat kurz überlegt und dann den Kopf

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