Holunderblut
einen Haufen Kleidungsstücke. Auf dem Handy waren ein paar Anrufe in Abwesenheit. Aber nichts aus Italien.
»Dei Pistoin hab i weggsparrt«, hat der Peter dann ganz leise gesagt. »Die war no in deim Auto.«
»Danke, liab von dir.« Die Katharina hat gerade wieder ihr erstes festes Essen zu sich genommen, aber die Krankenhauskost war furchtbar. Immerhin hat sie sich dadurch wieder fit gefühlt, und ein bisschen aufgestanden ist sie ja auch schon am Nachmittag, um den Kreislauf wieder anzuschmeißen.
Der Peter hat sich jetzt freilich darüber gefreut, dass die Kathi sich freut, dass er etwas für sie tut, also hat er gleich ein bisschen weiter aufgezählt, was er getan hat, ganz normal eigentlich, macht ein jeder.
»Und dei Uniform, die hamma aa scho gwaschn, wei’s recht dreckert war, die liegt dahoam bei dir.«
Die Katharina hat ein bisschen gebraucht, um zu verstehen.
»
Was
?!« Sie hat sich fast an der angetrockneten Brotscheibe von ihrem Krankenhausabendessen verschluckt vor Schreck.
»Mei Mama hat dei Uniform gwaschn.«
»Scheiße!« Die Katharina war mit einem Satz aus dem Bett, kurz eine Meldung von ihrem Kreislauf, dann ist es schon wieder gegangen.
»Die war recht in Mitleidenschaft gezogen«, hat der Peter zu erklären versucht. Er hat der Katharina ihre Aufregung jetzt ja auch gar nicht verstehen können.
»Da war was ganz was Wichtigs in der Hosentaschn drin!
Deswegen
Scheiße!«
»Duad ma leid.«
»Ned dei Schuid, aber … i muaß sofort hoam und nachschaung, was zum Retten is!« Und vor den entsetzten Augen vom Peter hat sie sich die Kanüle herausgezogen, ihr Gewand aus der Tasche geangelt und sich angezogen.
Der Peter hat seinen eigenen Augen nicht getraut. Zum einen, weil die Kathi plötzlich irgendwie ganz die Alte war, der immer irgendwas einfällt, woraufhin sie dann, wie jetzt, in einen ungeheuren Aktionismus verfällt und macht, was ihr passt – Flucht aus dem Krankenbett in diesem Fall. Und zum anderen, weil er es sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte, seine Freundin aus Kindertagen und jetzt Frau seiner Träume so unvermittelt nackt zu sehen und sie dabei zu beobachten, wie sie sich Stück für Stück anzieht und fluchtbereit macht. Andersherum, also Stück für Stück weniger Gewand, wäre vielleicht schöner gewesen, aber der Anblick hat den Peter auch so herum versteinert.
Da hat die diensthabende Krankenschwester geschimpft und gezetert, aber die Katharina hat bei der Stationsärztin unterschrieben, dass sie jetzt auf eigene Verantwortung das Krankenhaus verlässt. Der Peter hat der Ärztin versprochen, dass
er
fährt und sich um die Patientin kümmert, also Expatientin jetzt, aber das Gespräch hat die Katharina nicht mehr mitgekriegt, weil sie war schon in Richtung Besucherparkplatz unterwegs.
Und wieder eine Mission im Kopf, neben ihrem Kopfweh, und schon wieder vergessen, dass sie dem Matteo vor drei Tagen versprochen hat, dass sie ihn gleich zurückruft.
Manchmal hat man Glück im Unglück, und manchmal ist es andersherum.
Um halb neun Uhr abends, es hat schon gedämmert, ist der Peter mit seinem alten froschgrünen BMW 323i auf dem Allmandinger-Hof eingerollt, und die Katharina ist so schnell aus dem Auto gestürzt, dass man hätte meinen können, sie hat schon wieder einen verdorbenen Harlander-Fleischsalat gegessen.
Aber die ganze Fahrt über, also die 12 km von Mühldorf nach Weil, für die der Peter 25 Minuten gebraucht hat, weil er wegen der Kathi ihrer Gehirnerschütterung ganz langsam und vorsichtig die schmale Landstraße entlanggefahren ist, hat die Katharina nur an ihre Beweismittel gedacht, die eigentlich Beweismittel für den Fall Altmann waren, also nach Mühldorf zur Spurensicherung gehört hätten. Bestenfalls zum Brunner nach Weil, aber auf gar keinen Fall in die 60°-Wäsche von der Allmandinger Helene.
Also hat sie so schnell wie möglich nachsehen wollen, was nach einer heißen Wäsche und einem noch heißerenBügeleisen von der potenziellen Aussagekraft potenzieller Beweisstücke noch übrig ist. Daher rein ins Haus, Schrank auf, Uniform rausreißen. Die Hose war so akkurat zusammengelegt, dass sie im Schrank praktisch keinen Platz beansprucht hat. Jetzt war das Bügelwunderwerk natürlich zerstört.
Aber, siehe da. In den Hosentaschen, die die Katharina von innen nach außen gekehrt hat: nichts.
Gar nichts.
Noch nicht einmal die halb aufgelösten Flusen eines Papiertaschentuchs. Und die hast du
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