Holunderblut
Windschutzscheibe gefühlt und die Kante von einem offenen Autofenster, und dann ist er wieder aufgetaucht, wieder Luft holen und wieder runter und noch einmal fühlen, so lang, bis er sich sicher war, und auf die Automarke hätte er auch schwören können. Er ist ganz aufgeregt aufgetaucht nach seiner Diagnose und hat der Anne-Marie, die wegen seiner dauernden Auf- und Abtaucherei schon wahnsinns nervös gewesen ist, erzählt, was da am Grund von dem Weiher liegt. Und das war das letzte Mal, dass seine Freundin in irgendeinen Moorweiher zum Baden gegangen ist.
Am Ufer haben sie dann gleich vom Handy aus die Polizei in Weil angerufen, die Nachtschicht hat den Brunner verständigt, und weil ihm in letzter Zeit all diese Autogeschichten zu viel geworden sind und er sich wieder vorgestellt hat, wie der Präside jetzt gerade in diesem Moment auf Ischia seinem braun gebrutzelten Polizisten-Urlaubskörper die dritte Karaffe Rotwein gönnt, hat er gleich einen Sub-Auftrag nach Mühldorf rübergeschoben. Das heißt, er hat die Kripo mit ins Boot geholt, und dasnicht bloß, weil es um ein Gewässer gegangen ist, sondern vor allem, weil sich das Kapitalverbrechen angebahnt hat. Vier Polizeitaucher haben sie dann hingeschickt nach Derdorf, die Mühldorfer, und den Kriminalhauptkommissar Martin Aigner, aber nachts in einem Moorweiher hast du null Chance, etwas zu finden, die Unterwasserlampen können vielleicht den Marianengraben ausleuchten, aber den Derdorfer Moorweiher, vergiss es. Also hat der Aigner beschlossen, per Autokran und Seilwinden anzurücken, sobald es wieder hell ist.
Der Brunner und die Katharina sind um acht Uhr früh dazugekommen, da hat die Mühldorfer Feuerwehr gerade den schlammigen Jaguar an die Wasseroberfläche gezogen gehabt, und jetzt war der Autokran dabei, ihn vollständig zu bergen. Also genau richtig, nicht zu früh und nicht zu spät, dass der Brunner und die Katharina dazukommen.
Die Polizeitaucher waren eben damit beschäftigt, sich umzuziehen, einer hat eine Zigarette geraucht, ein anderer Kaffee ausgeschenkt, und um sie herum haben die Staunzen getanzt und in den Morgensonnenstrahlen geglitzert. Eigentlich ein Bild des Friedens und der Ruhe.
Die Katharina, die gerade krankgeschrieben war und in Mühldorf im Krankenhaus hätte liegen sollen, hat versucht, sich alle Details zu merken.
Zum Beispiel den Anblick von dem dunkelgrünen Jaguar, wie der jetzt so halb aus dem Weiher geragt hat, das Altöttinger Kennzeichen mit dem H am Ende, aus den beiden halb offenen Fenstern ist das braune Moorwasser herausgeronnen, da hat sich der Autokran gleich leichter getan mit jedem Liter. Ein sehr, sehr schöner, sehr, sehr alter Jaguar war das, und zufällig hat die Katharina vorkurzem vom Fachmann erklärt bekommen, dass es von diesem Wagentyp, also dem E-Type , in so einem perfekten Zustand in ganz Deutschland nur fünf Stück gibt. Und jetzt waren es nur noch vier.
Die Fundstelle in der Nähe der Plattform war mit einer Boje markiert, eine dicke rote Kugel, die auf dem Weiher hin und her geschaukelt ist. Gute 20 Meter vom Uferrand entfernt, und bei einem stehenden Gewässer fragt man sich da natürlich gleich, wie der Karrn da so mittendrin landen hat können. Es hat ja durchaus eine Zufahrt zum Weiher gegeben, eine einzige hinter der Wiese, dahinter ein winziger Parkplatz, also mehr so eine Kiesfläche.
Die Wiese war abschüssig, der Autokran ist also recht schief gestanden. Das war eigentlich die einzige Möglichkeit, dass einer vom hintersten Ende von dem kleinen Parkplatz aus mit Karacho über die Zufahrt und dann über die Wiese gefahren und der Wagen dann praktisch durch die Luft hineingesegelt ist, mitten in den Weiher. Und da hat die Katharina irgendwie schon geahnt, dass der Wagen einen Fahrer gehabt haben muss. Und als das Wasser fast ganz ausgelaufen war aus dem Jaguar, da hat man den Fahrer dann auch gesehen, der ist nämlich immer noch in dem Jaguar gesessen.
Aber schon seit längerer Zeit, wie es ausgesehen hat.
Eine Moorwasserleiche wie aus dem Lehrbuch sozusagen.
ZEHNE
Jetzt war die Aufregung natürlich groß in Mühldorf und in Weil, aber zuerst in Mühldorf, wo sie den E-Type hingeschleppt haben, nachdem der Moser Rudi am Weiher die Vor-Ort-Spurensicherung gemacht gehabt hat.
Der schwere Autokran hat ja die meisten Spuren zerstört, trotzdem hat der Rudi, den der Aigner diesmal mit zwei weiteren Kollegen herzitiert gehabt hat, der Katharina ihre Theorie bestätigen
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