Holunderblut
nimmer im Leben getrennt hätte, das ist der E-Type . Jeden anderen Wagen hätte der Hafner im Derdorfer Weiher erwartet, aber nicht das »Schatzi« vom Altmann.
Die Katharina hat nur genickt, so weit hat sie das schon nachvollziehen können. Verstehen hat sie es auch können. Auch wenn du viele Autos hast, liebst du eines am meisten, das ist wie mit den Menschen. Auch wenn du viele gernhast, manchmal liebst du einen mehr als alle anderen.
»Und warum hättn S’ im Weiher überhaupts an Karrn erwartet, wenn i fragn derf? Weil, ehrlich gesagt, hab i so den Eindruck, dass Sie gar ned überrascht warn, oiso, dass Sie der Einzige landauf, landab sand, den die Sach ned besonders wundert.«
»Des is a bisse a komplexere Gschicht.«
Das daraufhin einsetzende Schweigen vom Tandler hat der Katharina wieder bestätigt, dass der zwar prinzipiell gerne und viel redet, aber nicht wirklich freiwillig erzählt, was er weiß.
»Ja i hab Zeit«, hat die Katharina also entspannt gesagt. »Ja aber
i
ned!«
»Naa, Sie habn jetz aa a bisse a Zeit, Herr Hafner. Jetz hockma scho so nett beianand, jetz verzojn S’ scho. Sie redn doch gern.«
Da hat der Hafner Andi ein bisschen komisch gelacht,weil er nicht gewusst hat, ob das eben ein nettes Kompliment war oder eine böse Kritik.
Aber geredet hat er trotzdem.
Er hat also erzählt, dass der Thomas, um die Ausgaben für seine Jaguars überschaubar zu halten, seine Wagen gern als Reimport über Polen kauft und dass er, der Hafner, da öfter einmal rüberfährt, um mit seinem Transporter für den Thomas diese Reimporte zu tätigen. Er kennt dort nämlich ein Brüderpaar namens Karol und Wieslaw Pawliczyk, die kurz hinter der polnischen Grenze einen Gebrauchtwagenhandel betreiben. Die zwei sind rechte Schlitzohren, die immer wieder probieren, mehr herauszuschinden als vereinbart. Quasi erpresserisch. Ihn, den Hafner, lässt so was ja kalt, da hat er seine Prinzipien, ausgemacht ist ausgemacht, und was ausgemacht ist, wird gezahlt. Aber der Thomas lässt sich durchaus auf Nachverhandlungen ein. Die ihn dann immer furchtbar aufregen, und der Hafner versteht die Aufregung gar nicht.
Langsam hat die Katharina aber verstanden, dass an dem Fall ein ganzer Rattenschwanz an komplexen Geschichten dranhängt, und sie hat gewusst, dass das der Freizeitermittlerin nicht über den Kopf wachsen darf. Dass sie irgendwann den Brunner einweihen muss. Dass der dann einen Tobsuchtsanfall bekommen wird, der jede Migränelaune in den Schatten stellt.
Aber den Hafner bremsen hat sie jetzt auch nicht wollen. Im Gegenteil. Ein bisschen Zunder ins Feuer geben. Und zwar mit einer Schlussfolgerung ihrerseits, auf oberbayerische Weise hübsch verpackt in eine rhetorische Fragesatzkonstruktion.
»Jetz sagn S’ mir aber
ja
ned, dass der, der in dem E-Type gsessen is, a polnische Staatsangehörigkeit hat.«
Der Hafner hat keine Miene verzogen. »Wundern daad’s mi ned.«
»Herr Hafner, habn Sie da was damit zum Doa? Oder wissen S’ no mehr?«
»Frau Berger, bin i bleed? Wenn i was damit zum Doa hätt, daad i Eana dann vo mir aus de Gschicht verzojn?«
»Was woaß i. Vielleicht grad deswegen. Um vo Eana sejber abzumlenka.«
Ganz ernst hat der Hafner jetzt geschaut, und dann hat er etwas in so einem ehrlichen Ton gesagt, dass bei der Katharina jeder Zweifel an seiner Schuld oder Mitschuld sofort weg war.
»Ablenka hab i ned notwendig. I verzoj des ojs nur Eana zuliebe. Wei S’ ma … gfojn. Mit Eana Ihrer unbürokratischen Ermittlungsart. Aber jetz muaß i weida. I geh no schnoj zum Zojn, Sie sand eigladn.« Und dann hat er sich erhoben.
»Und was mach i jetz mit Eana Ihrer Information?«, hat die Katharina ein bisschen hilflos gefragt.
Da hat sich der Hafner noch einmal zu ihr hinuntergebeugt und geantwortet: »Jetz wartn S’ hoit amoi, was außakimmt. Bei der Staatsangehörigkeit. Und dann redn ma weida.« Gegrinst hat er, aufgerichtet hat er sich, der Bedienung ein Geld zugesteckt, und weg war er.
Die Katharina hat das unbestimmte Gefühl nicht losgelassen, dass der Hafner Andi ein bisschen mit ihr spielt. Der war ihr irgendwie ein paar Schritte voraus. Und von Anfang an, also von seiner Vermisstenanzeige an, hat er es genossen, die Fäden in der Hand zu halten.
Aber wie sind die Polen jetzt in die Geschichte gekommen?
,
hat sich die Katharina gefragt, als sie ihren Golf hat vorglühen lassen. Und als sie dann am Ortsende von Derdorfan dem Asylantenheim vorbeigefahren ist, vor dem sich gerade
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