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Holunderblut

Holunderblut

Titel: Holunderblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Brinkmann
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Sauerbraten und die hausgemachten Kartoffelknödel hat er wahrscheinlich nur anstandshalber gegessen, in Italien gibt es nichts annähernd vergleichbares Kulinarisches, zumindest hat er so was noch nie gegessen gehabt. Aber die zwei Weißbier haben ihm schon gemundet, zu so einem üppigen Frühstück braucht es das einfach, wurscht, welche Nationalität man mitbringt.
    Im Übrigen hat er mehr gegessen als die Katharina, bei der der Teller nach dem Essen gar nicht so viel anders ausgeschaut hat als vorher.
    »
Mangiane ancora un po’ Katharina   … O non ti piace?
«, hat er zu ihr hinübergebeugt leise gefragt.
    Die Resi hat zeitgleich ungefähr dasselbe gesagt. »Iss doch a bisse mehra, Kathi, bist ja ganz boanad worn. Kannst as scho vertragn, oder schmeckt’s dir ned?«
    »Doch, ojs perfekt, guad wia eh und je, dei Sauerbraten, Resi. Aber mir habn recht spaad g’frühstückt   …«
Amore e caffè.
»
Mi piace, però mi sento male
«, hat sie dem Matteo zugeflüstert.
    »
Se ti senti male, andiamo.«
    »Fra un pochino.« Fra un pochino
, also: gleich. Muss man sagen, wenn man wo eingeladen ist.
    Weil erst einmal hat es noch eine Runde Schnaps gegeben und dann noch eine zweite, als Katalysator für die Sauerbratenverdauung, und nur die Katharina und der Hansi haben sich davor drücken können, weil sie ja noch Auto fahren haben müssen. Also, der Hansi hat doch noch ein bisschen genippt, höchstens aber ein halbes Stamperl, aber die Katharina
niente di niente
, also hat die Resi beim Abschied schon ganz komisch geschaut und gefragt, warum die Kathi eigentlich gar keinen Alkohol trinkt, obirgendwas ist. Wenn du als Frau auf dem Land nämlich nichts Alkoholisches trinkst, dann aus genau nur einem Grund, und dass dieser eine Grund für die Katharina nie ein Grund sein würde, das hat die Resi ja nicht wissen können.
    Der Brunner hat sich das mit dem möglichen Grund nicht mehr gefragt, der hat sich nach dem Essen in seinen Fernsehsessel verzogen zum Schlafen, recht berauscht, und auch die Anni und der Matteo, der ja das bayerische Weißbier und den Selbstgebrannten vom Gastreiner aus Halling nicht gewohnt war, waren bedient. Also nicht betrunken, aber bedient.
    Und die ganz nüchterne Katharina hat sich ans Steuer von dem italienischen BMW M5 gesetzt und ihren bedienten, dahergelogenen italienischen Ehemann zurück ins Austragshäusl gefahren.
    Wo sie sich erst einmal hingelegt haben, alle beide, weil der Matteo aufgrund der bayerischen Mittagsessensbräuche und die Katharina wegen ihrem Kopfweh dermaßen fertig waren, dass an das Tagesprogramm der Freizeitermittlerin im Moment nicht zu denken war.
    Und die Katharina hat ihrem Commissario stattdessen alles erzählt, womit sie sich in den letzten Wochen so beschäftigt hat, von den verwandtschaftlichen Verstrickungen in und um Weil, die manchmal auch für sie nicht zu durchschauen waren, von dem Fall, den sie gerade bearbeitet hat, von den Geschichten und Hintergrundgeschichten von all den Verdächtigen und weniger Verdächtigen, von den vielen Jaguars und Polen und Putzfrauen und Tierärztinnen und Tandlern und Beziehungen untereinander. Und was der Brunner davon gewusst hat, nämlich nur das Nötigste. Und er, der Matteo, hat nun praktisch alles gewusst.
    Alles gar nicht so anders wie bei ihnen in Italien, hat der Matteo bemerkt, und dann hat
er
erzählt.
    Von seiner Frau Lavinia, die er während seines Jurastudiums kennengelernt hat, die eines Tages schwer krank geworden ist, und als sie Brustkrebs diagnostiziert haben, war es längst zu spät für eine Therapie. Von ihrem langen und schmerzhaften Sterben. Von seinem abgebrochenen Studium, kurz vor der
laurea
. Von seiner Schwester Francesca Lucarelli, die Richterin in Genf war, weil Genf war nicht Italien, und in Italien hätte sie das nie und nimmer geschafft. Als Tochter einer Anwältin und eines hohen Richters, die beide zeit ihres Lebens gegen die Organisierte Kriminalität gekämpft haben.
    Aber trotzdem hat sie ihre Heimat geliebt und ist immer wieder zurückgekommen, hat sich ihre teure Wohnung in Rom gehalten, obwohl ihr Elternhaus, sein Elternhaus, nur 30   km nördlich von Rom am Lago di Bracciano bei Anguillara Sabazia gelegen und die meiste Zeit leer gestanden ist. Eine weitläufige abgelegene Villa, gut versteckt und gut gesichert. Nein, die Eltern haben nicht mehr dort gelebt. Um genau zu sein, sie haben
nirgendwo
mehr gelebt, und dieses Nirgendwo war ein Familiengrab auf dem weitläufigen

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