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Holunderblut

Holunderblut

Titel: Holunderblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Brinkmann
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noch nicht die leiseste Spur gegeben. Nur das Bild von einem schönen Mann, das da jetzt vor ihr auf dem Küchentisch gelegen ist. Neben ihren anderen Notizen, Bildern und Unterlagen zum Fall Altmann.
    Dafür ist inzwischen eine ganze Reihe Autos aufgetaucht und jede Menge Polen. Alle in Verbindung mit Autos. Sogar die Putzfrau. Polin mit gutem Auto.
    Also die Autos noch einmal anschauen. Dringend. Alle.
    Und noch ein wichtiges Auto: das Taxi, das den Altmann am Mittwoch, dem 29.   Juli, vom Tandlerhof abgeholt hat. Und apropos Fahren, jetzt hat sich die Katharina plötzlich wahnsinns Sorgen gemacht, dass der Matteo doch nicht so vorsichtig fährt, wie er ihr versprochen hat, und dass ihm was passieren könnte bei 200   Sachen auf der Autobahn, aber anrufen hat sie sich auch nicht getraut, weil telefonieren bei 200   Sachen auf der Autobahn ist ja auch nicht ungefährlich, und um sich zu beruhigen, hat sie ihre Unterlagen sortiert, alles, was sie ausgebreitet gehabt hat auf ihrem Küchentisch, und dabei hat sie eine Notiz vom Peter gefunden, einen Zettel, den er unter eine Schüssel mit frischen Eiern geklemmt gehabt hat.
    Die er ihr hingestellt gehabt hat. Der Peter. Dieses Herzvon einem Kerl. Der nicht einmal gewusst hat, dass sie einen Freund hat. Und jetzt hat sie auch noch ein mords schlechtes Gewissen ihm gegenüber gekriegt. Weil irgendwie war das so ein Gefühl, wie wenn man sechzehn ist und der Freund kommt heimlich zum Übernachten und die Eltern dürfen nichts erfahren, sonst gibt’s Stress. Das hat die Katharina gestört, dass die Allmandingers plötzlich so einen gefühlten Familienstatus gehabt haben bei ihr.
    So wie der Brunner, der sie am Freitag am Derdorfer Weiher zwischendurch gefragt hat, ob sie am Sonntag zum Essen kommt, weil seine Frau, die Therese, die Kathi ja auch schon ewig nicht mehr gesehen hat, und die Therese, also Resi, war ja so etwas wie eine Ziehmutter für die Kathi, und man möcht’s kaum glauben, man kann für Zieheltern ein Pflichtgefühl entwickeln, das wesentlich tiefer geht als irgendein Gefühl den eigenen Eltern gegenüber.
    Deswegen hat sie zu der Sonntagsessenseinladung zugesagt gehabt.
    Aber jetzt erst einmal die Notiz vom Peter lesen. Auf der gestanden ist, dass sich der Dr.   Lechner, der die Katharina mit ins Krankenhaus begleitet hat nach ihrem Kollaps, beim Peter nach ihrem Befinden erkundigt hat. Und wegen der andauernden Kopfschmerzen, von denen ihm der Peter erzählt hat, morgen gerne einmal nach seiner Patientin sehen wollte. Also heute, weil es war schon ein Uhr nachts. Sie soll ihn doch bitte anrufen unter der angegebenen Handynummer.
    Diesen Dr.   Lechner hat die Katharina überhaupt nicht richtig in Erinnerung gehabt. Wie eine einzige Großfamilie, dieses Dorf, so ist es ihr vorgekommen. All die Sorgen anderer Leute um ihre Person. Und ihre Sorgen um ihren wiedergewonnenen dahergelogenen Ehemann.
    Und dann ist sie vor ihrer Tür gesessen, auf der Schwelle, und hat ein bisschen gewartet und gehofft, dass er sich meldet. Ihr Handy in der Hand, aber
niente
. Ob er den Hof findet, Adresse und Beschreibung hat er gehabt, aber nachts um halb zwei in der bayerischen Provinz eine Adresse finden?
    Aber so ein BMW M5 hat schon ein recht ein gutes Navi, und schnell ist er auch mit seinen 507   PS, selbst wenn man vorsichtig fährt, und um drei viertel zwei ist dann ein dunkelblauer Wagen auf den Allmandinger-Hof gerollt, mit einem italienischen Nummernschild, und die Katharina hat sich von ihrer Türschwelle erhoben und ist dagestanden in ihrem dünnen Nachtgewand, schon ein bisschen ausgekühlt, denn es war sehr frisch, eine Herbstnacht halt fast schon.
    Und ein schöner großer Mann ist ausgestiegen aus dem BMW, ein bisschen elegant gekleidet, ein bisschen angegraut, ein bisschen unrasiert, ein bisschen gezeichnet von einer recht anstrengenden Autofahrt, auf der er bloß zwei kleine Autogrill-Pausen gemacht hat, um sich mit je einem
doppio
wieder wach zu kriegen.
    Und ist auf sie zugekommen, hat die Arme ausgebreitet und sie umarmt, als hätte er sie nie zuvor umarmt und als würde er sie nie mehr loslassen wollen, auf diesem Hof von dem Biohof von der Familie Allmandinger, Weil, Kreis Mühldorf, 800   km von seiner italienischen Heimat entfernt, in der oberbayerischen Provinz.
     
    Und man kann jemanden lieben, und
wie
, auch wenn man gerade an die 1000   km am Stück praktisch ohne Pause gefahren ist, und auch, wenn man furchtbares Kopfweh hat und einen

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